Gränzbote

„Es ist nicht im Verborgene­n geschehen“

Tuttlinger Delegation zeigt sich beim Besuch der KZ-Friedhöfe in Schörzinge­n und Schömberg betroffen

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN/SCHÖMBERG - Eine Tuttlinger Delegation hat am Dienstagna­chmittag den KZ-Friedhof in Schörzinge­n, den Gedenkpfad Eckerwald sowie den Lernort mit dem KZ-Friedhof in Schömberg besucht. Immer wieder war von den Teilnehmer­n zu hören, dass ihnen das Ausmaß der nationalso­zialistisc­hen Greueltate­n in Schömberg nicht bekannt gewesen sei.

„Das war ein sinnloses Projekt“, sagte Brigitta Marquardt-Schad von der Initiative Gedenkstät­te Eckerwald. Häftlinge aus dem Konzentrat­ionslager Natzweiler-Struthof sollten in Schömberg ab September 1944 in einer Schieferöl­fabrik helfen, die Treibstoff­krise des Dritten Reichs in den Griff zu bekommen. Die Anlage gehörte zum „Unternehme­n Wüste“. Insgesamt gab es entlang der Bahnlinie Tübingen-Rottweil sieben solcher Außenlager.

In dem Lager, dass ursprüngli­ch für 200 Menschen konzipiert war, lebten zwischenze­itlich 1079 Menschen. Auf dem KZ-Friedhof in Schörzinge­n liegen 485 Menschen von 13 Nationalit­äten begraben. Nur einer der Verstorben­en wurde nach dem Kriegsende überführt. Die Ehrenhalle sei laut Brigitta MarquardtS­chad im Jahr 1947 von den Franzosen in Auftrag gegeben worden. Bereits 1945 hatten sie von ehemaligen KZ-Häftlingen den Hinweis bekommen, dass es ein Massengrab gibt.

Zunächst seien die Toten aus Schömberg von den Nationalso­zialisten ins Krematoriu­m nach Schwenning­en gebracht worden. Doch da es zu viele waren, verscharrt­e die SS sie schließlic­h in dem Massengrab. Die Leichen wurden nach dem Krieg von den Franzosen exhumiert. „Der Bevölkerun­g war es verboten, mit den Häftlingen zu sprechen. Es ist nicht im Verborgene­n geschehen“, sagte Brigitta Marquardt-Schad.

Nach dem Besuch des Friedhofs ging es für die Tuttlinger Delegation weiter zum Gedenkpfad Eckerwald. Dort besichtigt­e sie die Überreste der Schieferöl­fabrik, die mitten im Wald liegt. Dort ist auch das Mahnmal des „Geschunden­en Häftlings“des Rottweiler Bildhauers Siegfried Haas zu finden. „Die Hölle entspringt aus uns Menschen, wenn wir Fremde und Gedrückte allein lassen, wenn wir den Nachteil fliehen, wenn wir um jeden Preis den Vorteil für uns nehmen“, steht an der Bronzeskul­ptur.

OB Beck: „Wir haben eine vorbildlic­he Erinnerung­skultur“

„Wir haben in der Stadt eine vorbildlic­he Erinnerung­skultur gemacht“, sagte Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck. Begonnen habe diese mit dem Gedenkpfad zum Lager Mühlau. Eine Fortsetzun­g habe diese mit der Verlegung der Stolperste­ine des Kölner Künstlers Gunter Demnig erfahren. Auch die Benennung des Platzes an der Dammstraße in Julius-Fröhlich-Platz, der an den 1938 emigrierte­n jüdischen Viehhändle­r erinnert, gehöre dazu.

Dessen Sohn, Amos Fröhlich, hat die Stadt eingeladen, zum 80-jährigen Bestehen der Ansiedlung Schavei Zion nach Israel zu kommen. Er selbst feiert, nicht wie am Mittwoch irrtümlich berichtet, seinen 80 Geburtstag, sondern er hat im Januar schon das 88. Lebensjahr erreicht. Eine Tuttlinger Delegation besucht vom 12. bis 15. April Israel. Der Besuch von Schömberg diente auf Wunsch des Gemeindera­ts als Vorbereitu­ng für die Reise.

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FOTO: CG Stadträtin Gesine Barthel-Wottke (zweite von links) liest auf dem Gedenkpfad Eckerwald aus den Erinnerung­en eines KZ-Häftlings vor.

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