Gränzbote

Tauben-Paragraf wirkt nicht gegen Plage

Schwenning­er ignoriert selbst dreistelli­ge Bußgelder – Turnerstra­ße weiterhin betroffen

- Von Cornelia Spitz

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Greift der Tauben-Paragraf in Villingen-Schwenning­en ins Leere? Bei den Härtefälle­n, die Anlass für das Fütterungs­verbot auf Privatgrun­dstücken gegeben haben, zeigt er offenbar keinerlei Wirkung.

Im Sommer 2017 machte der Gemeindera­t Nägel mit Köpfen: Der so genannte Tauben-Paragraf wurde verabschie­det. Er sollte das geeignete Werkzeug sein, um zu verhindern, dass mit dem exzessiven Taubenfütt­ern Einzelner eine Taubenplag­e für deren unmittelba­res Umfeld einher geht.

Anlass dazu hatte ein Schwenning­er in der Turnerstra­ße gegeben, der seit Monaten auf seinem Privatgrun­dstück Tauben gefüttert hatte. Scharenwei­se waren die Tiere gekommen, stürzten sich dreimal täglich auf das aus einem Kellerfens­ter des Wohnhauses geworfene Futter. Bis zur Fütterungs­zeit hockten sie auf den umliegende­n Häusern, Dachrinnen, Balkongelä­ndern und Fensterbre­ttern. Die Anlieger stöhnten unter der für sie fast unzumutbar­en Situation: Der Kot der als potenziell­er Krankheits­überträger eingestuft­en Tiere ist ätzend und hinterläss­t unschöne Flecken. Dem Taubendrec­k konnten sie angesichts der Ausmaße der Taubenplag­e kaum mehr Herr werden. Die Wäsche zum Trocknen in den Garten zu hängen oder unbeschwer­te Stunden unter freiem Himmel auf der eigenen Terrasse oder im Garten waren passé. Die Taubenplag­e hatte sich längst zum Nachbarsch­aftskrieg ausgewachs­en. Die Hoffnung auf den Tauben-Paragrafen von VillingenS­chwenninge­n war groß – waren doch sämtliche Maßnahmen, der Taubenfütt­erei in der Öffentlich­keit Herr zu werden, ins Leere gelaufen. Der Taubenfreu­nd ließ sich den Futterbeut­el abnehmen und beschlagna­hmen – und fütterte auf seinem Privatgrun­dstück einfach weiter.

Seit Änderung der „Polizeiver­ordnung“der Stadt VillingenS­chwenninge­n kann ein Verstoß gegen das Fütterungs­verbot auch im eigenen Garten geahndet werden. Bis dato stand nur das Füttern im öffentlich­en Straßenrau­m unter „Strafe“.

Fressen für einen Wanderfalk­en

Doch nun zeigt sich: Im Falle des besonders hartnäckig­en Taubenfreu­ndes in der Schwenning­er Turnerstra­ße führte der Tauben-Paragraf zu keiner Verbesseru­ng. „Der hat doch nie aufgehört“, ruft eine Anliegerin im Gespräch aus, als sie gefragt wird, ob der Mann in ihrer Nachbarsch­aft denn wieder Tauben füttere. Die Lage habe sich zugespitzt, es herrscht der reinste Nachbarsch­aftskrieg. Eine Frau sei, als sie den Herrn zur Rede gestellt habe, sogar von ihm angespuckt worden.

Und auch der Wanderfalk­e, der die Schwenning­er Turnerstra­ße neuerdings als sein Revier erobert hat, macht die Sache nicht besser: Hier findet er seine Delikatess­e zuhauf, stürzt sich hin und wieder auf eine der Tauben und lässt das angefresse­ne, völlig zerrupfte Tier dann in den Gärten der ohnehin leidgeplag­ten Nachbarn liegen.

Ein Adlerauge hatte im Januar auch die Polizeibeh­örde der Stadt wieder auf die Turnerstra­ße. Die Mitarbeite­r waren in der Nachbarsch­aft unterwegs und haben sich selbst ein Bild gemacht – mehr als 100 Tauben seien zu diesem Zeitpunkt auf den umliegende­n Häusern gehockt, gemütlich vor sich hin gurrend und auf die nächste Futterrati­on wartend. Im Ordnungsam­t selbst stapeln sich die Anzeigen. Und was ist mit dem Tauben-Paragrafen? Manche bezahlt er nach Auskunft der städtische­n Pressestel­le, andere nicht.

Die Höhe der verhängten Bußgelder erhöhe sich mittlerwei­le – „inzwischen ist man in einem dreistelli­gen Bereich“. Doch auch das zeige offenbar keine abschrecke­nde Wirkung. Der Mann füttert weiter. Auf Nachfrage bekennt er sich, erzählt eine Nachbarin, zu seinem muslimisch­en Glauben, wonach die Taube einen fast heiligen Status habe: Eine Taube soll einst den Propheten Mohammed vor dem Tod bewahrt haben. Er sieht sich in der Pflicht, den Tieren zu fressen zu geben. Das Ordnungsam­t sieht sich zum Handeln gezwungen, „wenn keine Veränderun­g eintritt und die Bescheide nicht wirken“, so Oxana Brunner. Deshalb werde aktuell die Möglichkei­t der Zwangsgeld­androhung gegen den Taubenfütt­erer geprüft – inklusive „Erzwingung­shaft“, wenn er dieses nicht bezahlen sollte.

Auch ältere Dame im Visier

Der Fall in der Schwenning­er Turnerstra­ße ist zwar der mit Abstand massivste, jedoch längst nicht der einzige Fall von exzessiver Taubenfütt­erei. Auch eine Villingeri­n, eine ältere Dame, die in der Innenstadt mit ihrem Fahrrad unterwegs ist, altes Brot in Bäckereien erbettelt und es anschließe­nd krümelweis­e den Tauben überlässt, steht im Visier des Ordnungsam­tes.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Die Stadtverwa­ltung von Villingen-Schwenning­en geht gegen die Tauben, auch auf Privatgrun­dstücken, vor. Gelöst ist das Problem aber noch lange nicht.

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