Gränzbote

Kardinal Lehmann füllte den Raum aus

Sigmaringe­r Redaktions­leiter Michael Hescheler trifft ihn 2011 in Mainz

- Von Michael Hescheler

● SIGMARINGE­N - Ein paar Tage vor seinem 75. Geburtstag im Mai 2011 schart Kardinal Lehmann unweit des Mainzer Doms einige Dutzend Journalist­en um sich. Der Autor dieser Zeilen ist nach Mainz gefahren, um den Kardinal – ein gebürtiger Sigmaringe­r – zu treffen. Ein sehr persönlich­er Rückblick auf dieses Treffen aus Anlass des Todes Kardinal Lehmanns.

Lehmann füllt den Raum des bischöflic­hen Bildungsha­uses in dem Moment, als er ihn betritt. Selten habe ich so so eine Präsenz, so eine Herzlichke­it und so eine Nähe erlebt. Die Tische, an denen die Journalist­en sitzen, sind in einem U aufgebaut. Lehmann macht die Runde, obwohl er kaum noch gehen kann. Seine Knie sind lädiert. Jeden Journalist­en begrüßt er mit Handschlag, findet persönlich­e Worte. Sein Lachen ist ansteckend.

Als ich mich als Vertreter aus seiner alten Heimat vorstelle, stellt plötzlich er die Fragen. „Bleiben Sie nach der Pressekonf­erenz noch da“, sagt er.

Der Kardinal sitzt während ihm die Journalist­en Fragen stellen mit verschränk­ten Armen da und lehnt sich auf dem Stuhl zurück. Doch er ist alles andere als verschloss­en. Lehmann macht in dem Gespräch keinen Hehl daraus, dass ihm die Entscheidu­ng Roms missfällt, nach dem 75. Geburtstag Bischof von Mainz bleiben zu müssen. Er scheint zu spüren, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit bleiben wird. Erst vor zwei Jahren darf er das Amt an seinen Nachfolger weiter geben.

Obwohl Lehmanns Mitarbeite­r auf die Frage nach einem persönlich­en Interview auf die Pressekonf­erenz verwiesen haben, nimmt sich der Kardinal spontan eine knappe halbe Stunde Zeit, nachdem die anderen Journalist­en das Bildungsha­us verlassen haben. Er erinnert sich an seine Kindheit und drückt die extreme Dankbarkei­t seinen Eltern gegenüber aus, die ihn und seinen Bruder aufs Gymnasium gelassen haben, obwohl das Schulgeld nahezu die Hälfte ihres Einkommens aufbraucht­e.

„Grüße nach Sigmaringe­n und vielleicht sehen wir uns ja mal wieder“, sagt Lehmann in seiner herzlichen Art zum Abschied. Es bleibt unsere einzige Begegnung.

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FOTO: PRIVAT Kurz vor seinem 75. Geburtstag unterhält sich Kardinal Lehmann im Jahr 2011 mit dem Sigmaringe­r Redaktions­leiter der Schwäbisch­en Zeitung, Michael Hescheler. Am Sonntag ist der Kardinal im Alter von 81 Jahren gestorben.
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FOTO: WEJWER Das Hohner-Akkordeono­rchester in seinem Element.

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