Spahn eckt mit Hartz-IV-Äußerungen kräftig an Juncker verteidigt Beförderung von Selmayr
Opposition wirft dem designierten Gesundheitsminister vor, sich mit seinen Worten über Arme zu erheben
BERLIN (AFP) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die umstrittene Beförderung seines früheren Kabinettschefs zum Generalsekretär der Kommission verteidigt. Die kurzfristige Ernennung des deutschen EU-Beamten Martin Selmayr Ende Februar sei „in Übereinstimmung mit den Personalvorschriften und allen relevanten Regeln“erfolgt, schrieb Juncker in Briefen an EU-Abgeordnete, aus denen die Funke-Mediengruppe zitiert. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte der FunkeMediengruppe, es handele sich „auch um einen antideutschen Angriff von ganz links und ganz rechts im EU-Parlament“. Kritiker hatten in dem Fall ein undurchsichtiges Auswahlverfahren bemängelt.
Österreich erinnert an Mitverantwortung
WIEN (dpa) - Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat an die Mitverantwortung des Landes an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnert. „Österreicher waren nicht nur Opfer, sondern auch Täter, oft in führenden Positionen“, sagte das Staatsoberhaupt beim Gedenkakt zum 80. Jahrestags des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Zugleich mahnte er, den Rechtsstaat und die Menschenrechte mit großer Wachsamkeit zu beschützen.
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BERLIN - Der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit seiner Äußerung, mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“, Kritik von vielen Seiten auf sich gezogen. „Herr Spahn hat bei den Koalitionsverhandlungen anscheinend nicht genug aufgepasst“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ZDF. „Es gibt einfach Bereiche, wo wir sehen: Trotz Hartz IV geht es den Menschen nicht gut, und da wollen wir ran.“
Kritik an Spahn übte auch CDUGeneralsekretärin Annegret KrampKarrenbauer. „Ich warne immer etwas davor, wenn Menschen, die, so wie er oder wie ich, gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Der kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz sagte am Montagabend den ARD-„Tagesthemen“: „Wir haben andere Vorstellungen und das weiß auch jeder“. Scholz glaube, „Herr Spahn bedauert ein wenig, was er gesagt hat“.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock mahnt die Armutsbekämpfung bei Kindern an. Es sei das Allerwichtigste, Kinder in der Kita, Schule und Freizeit zu unterstützen, denn es könne nicht sein, dass die einen zur Musikschule gehen und die anderen sich das nicht leisten können. Die Kindergelderhöhung dürfe nicht auf Hartz IV angerechnet werden. Sie warf Spahn vor, sich mit seinen Äußerungen über Arme zu erheben. „Das ist für mich wirklich ein Alarmsignal“, sagte sie. „Sein Job ist es, die 50 000 offenen Stellen im Pflegebereich zu füllen.“Die Linke forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Spahn nicht wie geplant zum Gesundheitsminister zu machen.
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Hartz IV mutet Eltern zu, ihre Kinder für 2,70 Euro am Tag zu ernähren. Wenn gut verdienende Politiker wie Herr Spahn meinen, das sei keine Armut, sollten sie sich vielleicht mal mit einer Mutter unterhalten, die unter solchen Bedingungen ihr Kind großziehen muss.“
„Eines der besten Sozialsysteme“
Spahn hatte der Funke Mediengruppe gesagt, die Tafeln „helfen Menschen, die auf jeden Euro achten müssen. Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe.“Deutschland habe „eines der besten Sozialsysteme der Welt“. Die gesetzliche Grundsicherung werde mit großem Aufwand genau bemessen und regelmäßig angepasst. Hartz IV bedeute nicht Armut, sondern sei die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut, führte Spahn weiter aus. „Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht.“Er fügte hinzu: „Mehr wäre immer besser, aber wir dürfen nicht vergessen, dass andere über ihre Steuern diese Leistungen bezahlen.“
FDP-Chef Christian Lindner gibt Spahn recht. „Natürlich kann man von Hartz IV leben. Schließlich sei die Grundsicherung keine Frage von Gutdünken, sondern Hartz IV diene der existentiellen Sicherung, wenn auch nicht der auskömmlichen Lebensplanung.“Wenn Tafeln mehr als früher besucht würden, sei das kein Indikator, dass die Armut steige. Die Grundsicherung strafe zu oft Eigeninitiative und müsse mehr Leistungsanreize setzen.