Gränzbote

Dr. Sommerfeld spielt in Tuttlingen den Aufrichtig­en

Das Drei-Mann-Boulevard-Stück „Öffentlich­es Eigentum“mit Rainer Hunold unterhielt bestens

- Von Kornelia Hörburger

TUTTLINGEN - Bekannte TV-Namen haben am Sonntag für volle Zuschauerr­änge in der Stadthalle gesorgt. Sam Peter Jacksons Kammerspie­l „Öffentlich­es Eigentum“mit Rainer Hunold, Ulrich Gebauer und Florian Appelius erwies sich dabei als unbedingt erlebenswe­rt: Das Drei-MannBoulev­ardstück unterhielt bestens und wurde in höchstem Maße profession­ell und gleichzeit­ig mit unbändiger Spielfreud­e dargeboten.

Die drei Schauspiel­er ließen ihr Publikum keine Sekunde aus dem Griff, obwohl das Stück über weite Strecken nur Dialoge bei minimalen Action-Anteilen aufweist.

Sind prominente Personen automatisc­h „Öffentlich­es Eigentum“? Der populäre Nachrichte­nsprecher Geoffrey (Rainer Hunold) hat seine Homosexual­ität jedenfalls bisher hinter der Fassade einer Ehe versteckt. Jetzt aber haben ihn Fotografen bei einer Affäre mit dem 16-jährigen Jamie (Florian Appelius) im Auto erwischt. Gegen die lauernde Paparazzi-Meute scheint ihm PR-Mann Larry (Ulrich Gebauer) beizustehe­n. In Wirklichke­it hat Larry jedoch die Strippen für das ganze Spektakel gezogen. Aus Rache und Geldgier führt er Geoffrey nun öffentlich vor: „Erniedrigu­ng ist ein lukratives Geschäft.“

Ulrich Gebauer hat viele Jahre mit Claus Peymann auf der Bühne gearbeitet, inzwischen ist er Stammgast in allen deutschen TV-Krimiserie­n. Rainer Hunold verkörpert auf dem Bildschirm den „Aufrichtig­en“- sei es als „Der Staatsanwa­lt“oder als Doktor Sommerfeld aus „Praxis Bülowbogen“. Hunolds Geoffrey scheitert dagegen an seinen Lügen und an seiner Eitelkeit: Seine Autobiogra­fie ist gefloppt. Wütend feuert er den Überbringe­r der schlechten Nachricht, seinen Pressespre­cher Larry. Der sinnt auf Rache, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Doch so richtig böse ist Hunold auch in dieser Rolle nicht. Er avanciert vielmehr zum Opfer, verletzlic­h, von allen verlassen und unbarmherz­ig in die Enge getrieben von den Paparazzi. Und doch hält er trotzig dagegen, wenn sich von Zeit zu Zeit deren Blitzlicht­gewitter hinter einer frei stehenden Tür am hinteren Bühnenrand entladen.

Gebauer umkreist derweil als Larry den Hilfesuche­nden auf dem Sofa wie eine Hyäne ihre Beute, will ihm mit allen Mitteln ein kompromitt­ierendes Video-Schuldgest­ändnis abringen, treibt sein Gegenüber mit sprachlich­em Biss und einer Bühnenpräs­enz, die bis in die letzten Reihen wirkt, endgültig in die Enge. Larry selber hat Jamie mitsamt der Paparazzi gezielt auf Geoffrey angesetzt.

2014 brachte Regisseur Michael Bogdanov die deutsche Erstauffüh­rung des Stücks für das Berliner Schlosspar­k-Theater auf die Bühne. Zur Premieren-Besetzung kam für die Tour Florian Appelius neu hinzu – ein 25-jähriger Schauspiel­er, der locker als 16-jähriger „Jamie“durchgeht: eine im Grunde ehrliche Haut, ins böse Ränkespiel getrieben von seinem Wunsch: „Ich will berühmt sein.“

Alle drei haben schließlic­h mehr oder weniger öffentlich vernichten­de Geheimniss­e preisgeben müssen, und wie es in der ersten Szene der Einspieler mit Miley Cyrus‘ „Wrecking Ball“(„Abrissbirn­e“) schon vorweggeno­mmen hatte: Am Ende bleibt kein Stein auf dem anderen.

 ?? KORNELIA HÖRBURGER FOTO: ?? Ulrich Gebauer und Rainer Hunold auf der Bühne in Tuttlingen.
KORNELIA HÖRBURGER FOTO: Ulrich Gebauer und Rainer Hunold auf der Bühne in Tuttlingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany