Mühsam ins Ziel
Größer könnte der Unterschied nicht sein. Genau an dem Tag, an dem Angela Merkel zum vierten Mal als Bundeskanzlerin ihren Eid ablegt, hat vor 15 Jahren Gerhard Schröder seine Agenda 2010 verkündet. Ein mutiger Rundumschlag, der die eigenen Reihen bis ins Mark verunsicherte und den Sozialsystemen einen Umbau verordnete, wie es ihn selten zuvor gegeben hatte. Seine Nachfolgerin Angela Merkel hat den Deutschen zunächst einmal nichts zugemutet. Gar nichts. In kleinen Schritten ging sie mit ihrer Politik voran, uneitel und pragmatisch auf die jeweiligen Ereignisse reagierend. Man kann es umsichtig nennen oder visionslos – beides ist wahr. Auf jeden Fall stellte ihr „Weiter so“lange Zeit keine Drohung für die Deutschen dar.
Zweimal allerdings hat Merkel dann doch überrascht. Das war nach Fukushima mit dem plötzlichen Aus für die Kernkraft und in der Flüchtlingskrise mit der Öffnung der Grenzen. Letztere ist ihr nicht gut bekommen. Merkel hat zwar auf der einen Seite für ihre Menschlichkeit weltweit Achtung gewonnen, auf der anderen Seite aber zu Hause Ängste hervorgerufen und Vertrauen verspielt.
Nun also kommt der vierte Anlauf, ihre voraussichtlich letzte Amtsperiode. Sie hat – entgegen allen Befürchtungen – neue Gesichter ins Kabinett geholt, die Hoffnungen keimen lassen. Sie hat sich vorgenommen, Deutschland weitere vier Jahre gut durch außenpolitische Krisen zu führen und stärker in Europa zu verwurzeln. Sie wird dies wie immer leidenschaftslos, aber voraussichtlich am Ende ganz klug tun. Doch es scheint nicht mehr sicher, dass sie nicht scheitert.
„Wir müssen viele Dinge neu denken“, hat Angela Merkel in dieser Woche gesagt. Was sie genau denkt und vor allem, was sie neu denkt, hat sie nicht verraten. „Wird scho“, sagt man in Bayern. Doch die Zahl derer, die ihr blind vertrauen, sinkt – und es steigt die Zahl jener, die sich nicht mehr so sicher sind, die sich so langsam nun doch nach einem Neuanfang sehnen. In der Bevölkerung genauso wie im Bundestag.