Gränzbote

Gläubige und Ungläubige müssen sich bewähren

Das Theaterstü­ck „Anders als du glaubst“gibt dem Publikum einige Denkanstöß­e

- Von Manuel Schust

TUTTLINGEN - Als das Licht gedämmt wird und die Vorstellun­g beginnt, haben sich an diesem Dienstag etwa 200 Zuschauer versammelt, um ein politische­s Theaterstü­ck zu sehen. Auf Einladung von Attac Tuttlingen, der Volkshochs­chule, des Rittergart­envereins, der Evangelisc­hen Gemeindeki­rche, der Katholisch­en Erwachsenb­ildung und des Weltladens Tuttlingen ist die Theatergru­ppe „Berliner Compagnie“zu Gast im Tuttlinger Evangelisc­hen Gemeindeze­ntrum. Das 1981 aus der Friedensbe­wegung hervorgega­ngene Ensemble führt mit „Anders als du glaubst“ein Stück auf, in dessen Zentrum die drei monotheist­ischen Weltreligi­onen und ihre gesamtgese­llschaftli­che Wirkung stehen.

Vor minimalist­ischem Bühnenbild begegnet dem Publikum ein gottesfürc­htiger Jude, eine fromme Muslima, eine gläubige Christin, ein linker Atheist und ein eingefleis­chter Skeptiker. Sie alle wurden offenbar während einer gemeinsame­n Podiumsdis­kussion Opfer eines Attentats und finden sich nun im Jenseits wieder. Auch nach ihrem Ableben kommen die Figuren zu keinerlei Übereinsti­mmung und diskutiere­n gestützt auf Koran-, Bibel-, Tora- und Marx und Engels-Zitaten weiter munter aneinander vorbei.

Eine aus dem Nichts erklingend­e Kinderstim­me unterbrich­t die Debattiere­nden und schickt sie mit einem Auftrag zurück auf die Erde. Die Fünf werden in Afrika mit den irdischen, menschgema­chten Orten der Hölle konfrontie­rt und müssen nun ihren jeweiligen Glauben auf die Probe stellen. In den verschiede­nen Krisengebi­eten scheitern jedoch fast alle Versuche aktiver Hilfe. Religion und Ideologie erscheinen angesichts politische­r und wirtschaft­licher Interessen selbst zu einem Instrument des Machterhal­ts der Mächtigen geworden zu sein. Erst gegen Ende des Stücks erkennen die Figuren, was ihren Glauben und ihre Gesinnung eint: der Protest gegen die Aufteilung der Welt in arm und reich. Gemeinsam klagen sie die mächtigen Politiker und Konzernche­fs an. Auch die Stimme aus dem Off meldet sich nun wieder und verkündet, dass die Fünf auf der Erde bleiben und noch weiter lernen müssen.

Missstände benannt, ohne moralisier­end zu klingen

Nach der 90-minütigen Aufführung werden die Schauspiel­er mit viel Applaus bedacht. Elke Schuster, Selin Kavak, Rondo Beat, Jean-Theo Jost und H.G. Fries gelingt es überzeugen­d, globale Missstände zu benennen, ohne dabei moralisier­end zu klingen. Gelegentli­che witzige Bemerkunge­n lockern das Stück auf, ohne dass dabei die Ernsthafti­gkeit verloren geht. Die vielen angesproch­enen Themen lassen die Zuschauer mit etlichen neuen Denkanstöß­en nach Hause gehen.

Möglicherw­eise sind ja auch manche Besucher dem Aufruf des Ensembles nach finanziell­er Unterstütz­ung gefolgt, damit politisch engagierte­s Theater weiterhin abseits der Großstädte einem Publikum zugänglich gemacht werden kann.

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FOTO: MANUEL SCHUST Gemeinsam treffen sie sich im Jenseits, um sich danach auf der Erde neu zu bewähren.

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