1200 Jahre Denkingen: Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Professor Wolfgang Urban aus Rottenburg unternimmt einen Streifzug durch die Denkinger Geschichte
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DENKINGEN - Professor Wolfgang Urban, Rottenburg, langjähriger Diözesankonservator der Diözese Rottenburg-Stuttgart, hat im Katholischen Gemeindehaus in Denkingen zum Thema „ 1200 Jahre Denkingen – Gemeinde am Fuße des Heuberg“referiert. Die Geschichte der Menschen in Denkingen ist verbunden auch mit der Geschichte der Kirche und mit dem Glauben. Dies zeigte Wolfgang Urban in seinem spannenden Referat auf.
Über 60 Personen ließen sich von Urban in die Vergangenheit zurückversetzen, denn: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“Mit seinem monumentalen Wissen gab Wolfgang Urban einen eindrucksvollen Abriss über die Vergangenheit und Ursprünge des Ortes, und konnte dabei neben Bekanntem auch manche Neuigkeiten vermitteln.
Im Namen des Kirchengemeinderates übernahm Norbert Schnee die Begrüßung. Er freute sich über das volle Haus und dankte den Musikanten Ulla Braun, Klavier, und Suse Staudenmayer, Geige, die den Vortrag musikalisch umrahmten.
Dorf ist mindestens 1500 Jahre alt
1200 Jahre Denkingen – diese lange Zeit ist mit vielen guten Jahren und auch schweren und schmerzlichen Zeiten verbunden. Ins Licht der Geschichte tritt das Dorf Denkingen erstmals mit der Erwähnung in einer St. Gallener Urkunde vom 10. Oktober 818. Das Dorf sei indessen nochmals rund dreihundert Jahre älter und dürfte im 6. Jahrhundert nach Christus von den Alemannen gegründet worden sein. Hierfür sprechen die archäologische Fundsituation und der Ortsname mit der Endung „-ingen“. Auch die St. Michaelskirche (St. Michael war der Hauptpatron der Franken) gebe von einem historischen Zeitalter der Christianisierung im Ort Zeugnis.
Theotmar, wohl ein freier und begüterter, vielleicht auch adeliger Alemanne, gab für sein Seelenheil sein Eigentum an Grund und Boden in der Villa Thanchinga an das Kloster St. Gallen. Eine weit wichtigere, ja politische Bedeutung hatte diese Schenkung. Denn hiermit stellte Theotmar den ganzen Ort Thanchinga unter die Obhut des Klosters. Somit gehörte der Ort einige Jahrhunderte hinweg zum weltlichen und geistlichen Einflussbereich des um 720 entstandenen Klosters. Durch eine Güterschenkung an das Kloster entging alemannischer Grundbesitz zudem eventuell einer drohenden Konfiskation durch die Franken.
Mächtig stolz zeigte sich der frühere Diözankonservator, dass das Stiftsarchiv des Klosters St. Gallen heute noch über an die 900 OriginalPergamenturkunden aus dem achten und neunten Jahrhundert verfügt. Während die frühmittelalterlichen Urkunden des zweiten bedeutenden Klosters der Region, Reichenau, abhandenkamen.
1277 übertrug der Abt von St. Gallen diese Stiftung an die Johanniterkommende Rottweil um einen Jahreszins von vier Pfund Wachs. Im 13. Jahrhundert kamen mit den Grafen von Lupfen auch das Kloster Rottenmünster ins Gespräch. Den wichtigsten Herrschaftsfaktor im 13. und 14. Jahrhundert in Denkingen bildeten dann die Grafen von Hohenberg. So trat Denkingen als Kernbesitz der Hohenberger in engen Kontakt mit dem Heuberg. Um der auf dem Oberhohenberg geborenen Gertrud Anna (Stammmutter des Hohenzollerischen und Habsburger Geschlechts) ebenbürtig zu sein, verschuldeten sich die Hohenberger und mussten ihre gesamte Grafschaft an Herzog Leopold von Österreich verkaufen. So wurde Denkingen 1381 Österreichisch. 1525 raubte Herzog Ulrich von Württemberg den Denkinger Kirchenschatz, um seine Söldner zu bezahlen. Von großer Wichtigkeit waren indessen stets die Pfarrer in Denkingen. Der erste Geistliche, der im Zusammenhang mit Denkingen genannt wird, ist Hilteratus, der Schreiber der Urkunde von 818.
Streit mit dem Pfarrer
Dass Pfarrer Ferdinand Stöckhl die endlosen Streitereien der Pfarrherren mit der Gemeinde während seiner 38 Jahre Amtszeit in Denkingen im 18. Jahrhundert in den Vordergrund rückte, war eigentlich zu erwarten. Vieles über diese Streitereien, besonders aus kirchlicher Sicht heraus, erzählte Wolfgang Urban. Er nannte Pfarrer Stöckhl einen Aufklärer. Im Übrigen ist aus diesem historischen Hintergrund heraus 1986 die zweite Narrenfigur der Plätzlenarren, das „Pfarrbachweib“, entstanden. Die jahrhundertlange Zugehörigkeit zu Vorderösterreich ging zu Ende und 1806 ging das Patronat auf das Könighaus Württemberg über.