„Zuschauen, wie Bildschirm aufgebaut wird“
Helmut Stoklossa befürchtet, dass sein Wohngebiet mit 50 Häusern digital abgehängt wird
SPAICHINGEN - Helmut Stoklossa hat herausgefunden, dass sein Wohngebiet nördlich der Aldinger Straße vom Internet-Fortschritt abgehängt ist. Regina Braungart hat nachgefragt.
Sie verzweifeln schon etwas Länger am Internet, wo ist das Problem?
Das Problem ist, dass wir seit 2016 wissen, dass die ganze Stadt auf VDSL umgestellt ist, nur unserer Wohngebiet Gänsäcker wurde ausgespart. Dort fehlt ein Verteiler, von dem man mit Kupferkabel weiter fahren kann.
Was bedeutet VDSL?
Das ist die schnellere Version des DSL-Netzes. Alle Haushalte sind umgestellt auf Digital. Im Grund ist es ein Zwischending zwischen dem alten Kupferkabel und dem neuen Glasfaserkabel. Glasfaser ins Haus ist die teuerste Lösung. Der Plan ist, Glasfaser bis zum Haus zu legen und der Hauseigentümer kümmert sich um den Hausanschluss. Beim VDSL wird Glasfaser ins Wohngebiet geführt. Von dort speist man ins alte Kupferkabelnetz ein.
Das ist aber momentan ja noch nicht so.
Es ist angestrebt zwischen 2025 und 2030.
Aber bei Ihnen ist es nochmal ganz anderes.
Wir hängen an einem Kupferkabel, das am Knotenamt bei der Schillerschule angeschlossen ist. Das sind etwa drei Kilometer, weshalb nur noch zehn bis zwölf Megabit pro Sekunde hier ankommen.
Das bedeutet, dass es bei Ihnen auch keine andere Anschlussmöglichkeit gibt?
Nein, um an die Zwischenlösung zu kommen, würde es erfordern, dass bis in unsere Nähe das Glasfaser zu einem Verteilerkasten geführt und von da in das Kupfernetz eingespeist wird. Das lehnt die Telekom ab. Wie ich erfahren habe aus Rentabilitätsgründen.
Wer ist betroffen?
Die nördlichen Teile der Aldinger Straße also Albstraße, Rottweiler Straße, auf Michelfeld. Nach meiner Zählung rund 50 Häuser.
Das bedeutet, man sagt Ihnen: Bis zum St. Nimmerleinstag müsst Ihr mit langsamem Internet leben?
Das ist sehr offen. Ich weiß inzwischen auch, warum die Telekom so zurückhaltend ist. Wir haben in den 80er-Jahren einen Kabelanschlusszwang gehabt, mussten uns an das Koaxialkabel anschließen, das damals die Firma Funk Däuble gebaut hat. Dieses Netz ist mehrfach verkauft worden und jetzt gehört es Unitymedia. Die transportiert nicht nur Fernsehprogramme darüber, sondern man kann auch Internet darüber empfangen. Der Hinweis aus dem Rathaus war nun, dass da offensichtlich doch einige angeschlossen sind – bei Angeboten von 30 und 40 MBit – und da scheut sich die Telekom zu investieren. Aber Unitymedia schließt nur an, wenn das Kabel liegt und auch funktioniert. Unitymedia pflegt das Netz nicht.
Aber dann gibt es doch höhere Geschwindigkeiten in den Häusern, in denen das Unitymedianetz funktioniert, oder?
Ja, das ist so. Der zweite Nachteil ist der Preis: für Privathaushalte nach zwei Jahren eigentlich unbezahlbar. Die Alternative Glasfaser, die die Stadt angestrebt hatte über die Gesellschaft BIT ist noch teurer, weil der Hausanschluss selbst bezahlt werden muss. Das ist auch eigentlich nur für Gewerbebetriebe sinnvoll.
Aber wenn Häuser dazwischen liegen, können sich doch auch Privathäuser, die an der Leitung liegen, anschließen lassen? Gibt es bei Ihnen keine Gewerbetreibenden?
Doch es gibt Leute, die Homeoffice machen und ähnliches. Angeblich hat die Stadt auch eine Umfrage ge- macht. Auf dem Rathaus hieß es, man habe die Umfrage mit der Post verschickt und wisse nicht, ob sie in alle Haushalte verteilt wurde. Ich jedenfalls habe keine Umfrage bekommen. Das Resultat: Kein ausreichendes Interesse.
Geht es Ihren Nachbarn auch so? Gibt es kollektiven Unmut?
Ich habe mal bei bekannten Nachbarn stichpunktartig gefragt. Die meisten haben noch nicht gemerkt, wie langsam ihr Netz ist. Aber das wird sich ändern. In zwei bis drei Jahren werden sich die Anforderungen so ändern, dass man zuschauen kann, wie der Bildschirm aufgebaut wird.
Warum meinen Sie?
Weil die Datenmenge ständig steigt. Wenn Sie heute eine Internetseite aufrufen, haben Sie sich ständig verändernde Werbung und Bilder. Und das kostet Übertragungszeit und Bits, das Internet wird immer langsamer.
Aber Gewerbetreibende sind angewiesen dass große Datenmengen hoch und runter geladen werden können oder?
Kleingewerbe noch nicht. Das betrifft eher Konstruktionsbüros, Firmen mit Filialbetrieben und einem gemeinsamen Firmennetzwerk und ähnliches. Man kann ja auch Roboter fernsteuern. Zum Beispiel gibt es Operationsmaschinen, die kann ein Fachmann in Amerika bei einer OP hier vor Ort fernsteuern, aber dazu braucht man zeitgleiche Übertragungswege. Auch Lagerhaltung und Konferenzschaltungen sind ein Thema. Deshalb sind auch die Firmen in Spaichingen heiß drauf, das abzuwickeln.
Wie ist es nun mit den Plänen des Landkreises, alles ans Glasfaser anzuschließen, ist das bei Ihnen nun von vorneherein ausgeschlossen?
Ich glaube, das ist ausgeschlossen, weil sich die Stadt nicht von Anfang an beteiligt hatte. Es gibt im Kreis Gemeinden, die sind jetzt dabei, Glasfaser in jedes Haus zu legen. Da sind wir weit davon entfernt.
Was haben Sie in Ihren Bemühungen schon gemacht?
Die Telekom angefragt, den Bürgermeister angefragt, der aber, so habe ich den Eindruck, keine große Neigung hat, sich weiter zu engagieren. Unitymedia ist auch keine Alternative, weil die Gebühren nicht kalkulierbar sind.
Was machen Sie jetzt?
Ich bin unschlüssig und werde abwarten. Im Moment komme ich mit den zwölf Megabit im Download noch aus. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Stadt mehr einsetzte. Ich werde mich noch an die Geschäftsleitung bei der Telekom wenden und dann hoffe ich auf viele Nachbarn, denen auch auffällt, das wir hier abgehängt sind, und wir uns zusammenschließen sollten.