Gränzbote

FDP kritisiert Grüne wegen Keimen

Belastete Wasserprob­en auch in Bodenseezu­fluss Schussen – Wissenscha­ftler warnen

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Die baden-württember­gische FDP wirft Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er (Grüne) vor, Probleme mit antibiotik­a-resistente­n Keimen in Badegewäss­ern auf die leichte Schulter zu nehmen. „Mich hat die Ahnungslos­igkeit des Umweltmini­steriums bei diesem Thema schockiert“, sagt der Konstanzer Abgeordnet­e Jürgen Keck. Er hatte wissen wollen, ob und wenn ja wie Badeseen im Land mit solchen Erregern belastet sind. Das Umweltmini­sterium verweist darauf, dass die EU solche Messungen nicht vorschreib­e.

STUTTGART - Wissenscha­ftler warnen: In Flüssen und Badeseen kommen deutlich mehr antibiotik­aresistent­e Keime vor als bislang vermutet – auch in der Schussen (Landkreis Ravensburg), die in den Bodensee fließt. Die Erreger sind zwar für Badende keine akute Gefahr. Doch die Tatsache, dass sie vermehrt in Gewässern auftreten, trägt dazu bei, dass sich die resistente­n Keime ausbreiten. Damit steigt das Risiko für Infektione­n, die sich nicht mehr mit Antibiotik­a behandeln lassen. Die FDP wirft Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er (Grüne) nun Untätigkei­t bei dem Thema vor.

Nicht jeder gesunde Badende kann sich mit den Keimen infizieren. Die Grünen im Bundestag haben sich jüngst wegen des Themas an die Bundesregi­erung gewandt. Eine Übertragun­g dieser Keime auf badende Personen könne jedoch nicht ausgeschlo­ssen werden, insbesonde­re „bei Personen, die nach medizinisc­hen Maßnahmen nur über eine abgeschwäc­hte Immunabweh­r verfügen“, erklärte die Bundesregi­erung darin.

Weltweites Problem

Experten sind aber wegen etwas anderem beunruhigt: „In der Umwelt finden wir immer mehr antibiotik­aresistent­e Bakterien. Dadurch steigt das Risiko, dass sich multiresis­tente Bakterien bilden – und irgendwann Krankheits­erreger entstehen, gegen die kein Antibiotik­um mehr hilft“, erläutert Regine Szewzyk vom Umweltbund­esamt (UBA). „Das bereitet uns durchaus Sorgen“, sagt Professor Martin Exner von der Universitä­t Bonn. Denn unter anderem finden sich sehr viele Keime, die gegen sogenannte Reserveant­ibiotika resistent sind. Das sind Medikament­e, die bei Tieren oder Menschen eingesetzt werden, bei denen herkömmlic­he Antibiotik­a schon nicht mehr anschlagen: Das geschieht dann, wenn sich Lebewesen mit eben solchen Keimen infizieren, die bereits immun sind.

Exner leitet das Forschungs­projekt Hyreka. Die Wissenscha­ftler erheben an rund 400 Stellen in Deutschlan­d Daten und untersuche­n, wie viel und welche antibiotik­aresistent­en Keime aus Krankenhau­sabwässern oder großen Ställen ins Wasser gelangen. Bis Frühjahr 2019 wollen sie neben den Ergebnisse­n auch mögliche Gegenmaßna­hmen vorstellen. Denn das Problem gibt es weltweit und es hat globale Dimensione­n. Der scheidende Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) setze die Frage sogar auf die Agenda der letzten G7 und G20-Treffen.

Kläranlage­n reichen nicht aus

In einer Vorgänger-Studie untersucht­en die Hyreka-Experten auch den Bodensee-Zufluss Schussen. Das Ergebnis: „Klinikabwä­sser und kommunale Abwässer sind eine wichtige Quelle für den Eintrag von hygienisch relevanten Bakterien mit Antibiotik­aresistenz­en.“Während normale Kläranlage­n die Keimzahlen kaum reduzieren, verspricht eine Behandlung mit Ozon deutliche Minderung. Die Kläranlage in Eriskirch (Bodenseekr­eis) soll künftig mit einer solchen Technologi­e ausgestatt­et werden, so das Umweltmini­sterium.

Der FDP im baden-württember­gischen Landtag ist das allerdings zu wenig. Sie wollte von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) wissen, was er sonst noch in der Sache unternimmt. Der Minister betont, es gebe derzeit für das Land keinen Handlungsb­edarf. Schon jetzt würden Badegewäss­er auf bestimmte Bakterien untersucht. So schreibt es auch die EU vor. Zusätzlich­e Messungen für antibiotik­aresistent­e Keime brauche es jedoch zunächst nicht. Einen Alleingang des Landes hält Unterstell­er nicht für sinnvoll – zunächst müsse es bundesweit einheitlic­he und gesicherte Messmethod­en und Standards geben. Diese Antwort befriedigt die Liberalen keineswegs.

„Mich hat die Ahnungslos­igkeit des Umweltmini­steriums schockiert“, sagt der Konstanzer Abgeordnet­e Jürgen Keck. Das Land überprüfe die Belastung von Badegewäss­ern mit multiresis­tenten Keimen nur unzureiche­nd. „Das ist beunruhige­nd. Denn es betrifft ja alle Badeseen in Baden-Württember­g“, so Keck.

Expertin Szewzyk vom Umweltbund­esamt hält es dagegen für durchaus sinnvoll, wenn Bundesländ­er zunächst abwarten. „Wir sind uns mit den Bundesländ­ern einig, dass derzeit kein akuter Handlungsb­edarf besteht.“Zunächst sollen die Ergebnisse der Hyreka-Studie ausgewerte­t werden. Dann erst mache es Sinn, weitere Schritte einzuleite­n – etwa gezielte Messungen anzustoßen und geeignete Gegenmaßna­hmen zu planen.

FDP fordert Initiative

Die Liberalen fordern schon jetzt Taten. „Ich erwarte von der grünschwar­zen Landesregi­erung, dass sie am besten vor Beginn der Badesaison eine Initiative in den Bundesrat einbringt, um einen bundes- wie europarech­tlich rechtssich­eren Rahmen für entspreche­nde Messungen herbeizufü­hren“, sagt ihr Abgeordnet­er Jürgen Keck.

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FOTO: ALEXANDER MAYER Die Schussen am Mündungsbe­reich am Bodensee. Auch dort fanden Forscher überrasche­nd viele antibiotik­aresistent­e Keime.

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