Gränzbote

Wenn Technik das Steuer übernimmt

Selbstfahr­ende Autos sollen entspannen – Noch löst autonomes Fahren aber Stress aus

- Von Viktoria Hingerl

KEMPTEN (dpa) - Einparkass­istenten, Regensenso­ren und Abstandswa­rner – schon heute sind Autos mit allerlei technische­n Helferlein vollgestop­ft. In Zukunft sollen die Wagen ganz allein fahren können. Etliche Unternehme­n arbeiten an dieser Technik. Aber sind die Menschen schon bereit für automatisi­erte Fahrsystem­e? Und reduziert die Technik den Stress am Steuer spürbar?

Diesen Fragen gehen Wissenscha­ftler der Hochschule Kempten nach. „Wir wollen herausfind­en, wie das Auto der Zukunft aussehen muss, damit die Menschen entspannt ihrem Auto vertrauen können“, erklärt Bernhard Schick vom Forschungs­bereich Fahrerassi­stenzsyste­me. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Menschen bisher nicht so entspannt sind, wenn sie sich auf den Computer-Chauffeur verlassen sollen. Für die Studien müssen die Fahrassist­enzsysteme zunächst eine Reihe von Tests am Computer bestehen. Dort werden Alltagssit­uationen auf der Straße simuliert, wie Schnee und Regen oder auf die Fahrbahn springende Tiere. Dann werden die neuen Technologi­en mit Fahrern in einem Fahrsimula­tor getestet.

Spurhaltea­ssistent im Test

In einer Studie mit 50 Teilnehmer­n, 36 Männern und 14 Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren, wurde an der Allgäuer Hochschule der Spurhaltea­ssistent genau unter die Lupe genommen. Dieses System erkennt die Fahrbahnma­rkierungen und kann durch leichtes Gegenlenke­n eingreifen, wenn der Fahrer beispielsw­eise müde wird und von der Straße abzuweiche­n droht.

Die Fahrer mussten bei dem Versuch mit bis zu Tempo 160 auf Bundesstra­ßen und Autobahnen fahren, jeweils mit und ohne Assistenzs­ystem. Dabei wurde das Stressleve­l der Fahrer überprüft, indem Atmung und Puls aufgezeich­net wurden. Das Ergebnis ist für Laien überrasche­nd: „Das Stressleve­l stieg bei allen Probanden an, sobald der Spurhaltea­ssistent eingeschal­tet war“, sagt die Psychologi­n Corinna Seidler, die die Tests begleitete. Das äußerte sich durch feuchte Hände sowie Herzrasen und einen gesteigert­en Puls. „Im Durchschni­tt waren die Probanden deutlich weniger gestresst, wenn sie bei einer Geschwindi­gkeit von 160 Stundenkil­ometern ohne Spurhaltea­ssistent fuhren, als bei 120 Stundenkil­ometern mit Spurhaltea­ssistent.“

Technologi­e nicht ausgereift

Das liege an zwei Faktoren: Zum einen falle es schwer, die durch jahrelange Fahrpraxis erlernte Kontrolle abzugeben. Zum anderen sei die Technologi­e noch nicht ausgereift, sodass der Assistent in bestimmten Situatione­n ausfallen könne. „Da kam dann bei einigen Probanden nach der Fahrt auch mal der Ausruf: ,So einen Stress tue ich mir nicht mehr an!’“, erinnert sich Seidler.

Bis Fahrerassi­stenzsyste­me oder gar komplett selbstfahr­ende Autos das nötige Sicherheit­sgefühl vermitteln, ist es also noch ein langer Weg. „Im Moment ist die Technik noch nicht so weit, dass Unfälle komplett vermieden werden können“, sagt Schick. Es gibt zwar Studien, die aussagen, dass es bei einer höheren Verbreitun­g von autonom agierenden Fahrzeugen deutlich weniger Unfalltote gäbe. Doch diese Berechnung­en sind in der Fachwelt umstritten.

Das Allgäu soll auf jeden Fall eines der Forschungs­zentren für die Technologi­e bleiben. Denn das nach Angaben der Initiatore­n „modernste Zentrum für autonomes Fahren“in Deutschlan­d soll bei Memmingen entstehen. Auf dem ehemaligen Fliegerhor­st soll mit Unterstütz­ung des Freistaats bis 2019 für rund 15 Millionen Euro ein Testgeländ­e errichtet werden, auf dem Autobahnfa­hrten simuliert werden können. Die Wissenscha­ftler der Kemptener Hochschule wollen hier gemeinsam mit Unternehme­n Studien durchführe­n.

Erst am Montagaben­d hat der Gemeindera­t in Friedrichs­hafen am Bodensee einer Teststreck­e für autonomes Fahren im Stadtverke­hr zugestimmt. In einem ersten Schritt sollen Ampelanlag­en technisch so aufgerüste­t werden, dass sie mit den Testfahrze­ugen kommunizie­ren können.

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FOTO: DPA Ein Känguru springt vor ein Auto. Forscher der Hochschule Kempten testen Fahrerassi­stenzsyste­me mittels Computersi­mulationen.

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