Steuererhöhung? Nein, danke!
Tuttlinger Unternehmen wollen für Gymnasien-Finanzierung nicht bluten.
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TUTTLINGEN - Mit der Idee, die Sanierung der beiden städtischen Gymnasien auch über eine Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes zu finanzieren, trifft Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck nicht gerade den Geschmack der Gewerbetreibenden. Seit Montag ist klar, dass die Stadt mindestens 31 Millionen Euro an Drittmitteln für das Projekt aufnehmen muss. Daher will sie ihre Einnahmenseite erhöhen.
Wenig erbaut ist Peter Decker, Geschäftsführer des Medizintechnik-Unternehmens Henke-Sass, Wolf. Er erinnert daran, dass sich die Wirtschaft schon bei der Finanzierung des Tuttlinger Hochschulcampus’ der Hochschule Furtwangen engagiere: „Die Wirtschaft ist ihrer Verantwortung bewusst und handelt dementsprechend“, sagt er. Angesichts eines historischen Hochs an Steuereinnahmen der öffentlichen Hand könne er nicht verstehen, dass weiter an der Steuerschraube gedreht werden soll. „Das ist nicht das richtige Zeichen. Was passiert, wenn die Konjunktur abflaut?“, fragt er. Daher müsse eine Finanzierung für die Schulsanierung auf den Tisch, die tragfähig ist. Zudem sei die Industrie schon stark belastet, einerseits durch den hohen Tarifabschluss mit der IG Metall, durch die zunehmende Regulatorik und die Kostensenkungswünsche auf Vertriebsebene: „Wir können keine höheren Preise durchsetzen“, sagt Decker.
Begrenzung muss klar sein
Dieter Teufel, Präsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg aus Tuttlingen, betont ebenfalls, dass die gewerbliche Wirtschaft in Tuttlingen „sich immer schon stark für das Gemeinwesen engagiert hat – vor allem, aber nicht ausschließlich finanziell.“Ein gut ausgestattetes Bildungswesen sei auch im Interesse der Wirtschaft. Gleichwohl liege dies in der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. „Eine Zuweisung der finanziellen Lasten einseitig auf die Wirtschaft ist daher kritisch zu sehen, insbesondere in Zeiten guter Gewinne, die sich ohnehin schon auf das Gewerbesteueraufkommen positiv auswirken“, sagt Teufel. Wenn eine Hebesatzerhöhung tatsächlich unumgänglich sein sollte, müsse vor allem die Befristung eindeutig und unwiderruflich festgeschrieben werden. „Danach muss der Hebesatz, der jetzt schon über dem des Oberzentrums Villingen-Schwenningen und dem der anderen Mittelzentren in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg liegt, wieder gesenkt werden.“
Auch Wolfram Hensle, Geschäftsführer der Autohäuser Hensle in Tuttlingen und Mühlheim, kann es nicht verstehen, dass die Stadt an der Steuerschraube drehen will: „Das muss anders gehen. Es kommen genug Steuern rein. Die Stadt muss haushalten.“Was ihn irritiert, ist, dass die Kosten von ursprünglich anvisierten 30 Millionen Euro nun bis zu 70 Millionen Euro betragen könnten. Bildung sei ein wichtiger Punkt, aber die Stadt sollte zunächst über Einsparungen nachdenken, um die Sanierung zu finanzieren.
Holger Huber, Vorstandsmitglied von ProTUT, holte für unsere Zeitung ein Meinungsbild beim Gewerbeund Handelsverein ein. Der Tenor: Bildungsinvestition ja, Finanzierung aber nicht über höhere Steuern, zumal die Erhöhung der Gewerbesteuer auf die Stadt begrenzt wäre. „Das ganze Thema betrifft ja auch das Umland“, gibt Huber weiter. Schließlich kommen rund 50 Prozent der Schüler von Immanuel-Kantund Otto-Hahn-Gymnasium aus den Städten und Gemeinden des Umlands. Persönlich schätzt Huber ein, dass die Erhöhung der Gewerbesteuer für Einzelunternehmer ein Nullsummen-Spiel wird. Schließlich würde das Mehr an Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer angerechnet: „Personen- und Aktiengesellschaften wird eine Erhöhung aber gar nicht schmecken“, meint Huber.
OB verteidigt Pläne
„Dass Firmen deswegen abwandern, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Oberbürgermeister Michael Beck zur geplanten Steuererhöhung. Die Kosten einer Abwanderung stünden in keinem Verhältnis. Viele Firmen hätten sich zudem bewusst für Tuttlingen entschieden. „Tuttlingen ist ein attraktiver Standort – aus diesem Grund haben ja wir auch einen chronischen Mangel an Gewerbeflächen. Letzterer war es auch, der in den letzten Jahren einzelne Firmen dazu bewegt hat, anderswo zu investieren – nicht die etwas höhere Gewerbesteuer.“
Emil Buschle, Erster Bürgermeister der Stadt Tuttlingen, sieht das ähnlich: „Ich glaube schon, dass das zumutbar ist“, sagt er. Er sei regelmäßig in Kontakt mit den Unternehmen. Man werde das Gespräch mit den großen Gewerbesteuerzahlern suchen und ihnen die Lage erklären.
Natürlich gehe es umgekehrt auch darum, „dass wir uns bei den Ausgaben disziplinieren“, so Buschle. Wie hoch die Standards für die Außenanlagen der Gymnasien ausfallen, müsse etwa überlegt werden, „ohne bei der Qualität große Einbußen zu haben“. 70 Millionen Euro wolle die Stadt definitiv nicht ausgeben. Die Investition soll nah an den veranschlagten 52 Millionen Euro bleiben.
– wollten sich zu unserer Anfrage am Dienstag nicht äußern.
Andere umsatzstarke Unternehmen der Stadt – die Kreissparkasse, Aesculap und Karl Storz