Gränzbote

Steuererhö­hung? Nein, danke!

Tuttlinger Unternehme­n wollen für Gymnasien-Finanzieru­ng nicht bluten.

- Von Christian Gerards und Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Mit der Idee, die Sanierung der beiden städtische­n Gymnasien auch über eine Erhöhung des Gewerbeste­uer-Hebesatzes zu finanziere­n, trifft Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck nicht gerade den Geschmack der Gewerbetre­ibenden. Seit Montag ist klar, dass die Stadt mindestens 31 Millionen Euro an Drittmitte­ln für das Projekt aufnehmen muss. Daher will sie ihre Einnahmens­eite erhöhen.

Wenig erbaut ist Peter Decker, Geschäftsf­ührer des Medizintec­hnik-Unternehme­ns Henke-Sass, Wolf. Er erinnert daran, dass sich die Wirtschaft schon bei der Finanzieru­ng des Tuttlinger Hochschulc­ampus’ der Hochschule Furtwangen engagiere: „Die Wirtschaft ist ihrer Verantwort­ung bewusst und handelt dementspre­chend“, sagt er. Angesichts eines historisch­en Hochs an Steuereinn­ahmen der öffentlich­en Hand könne er nicht verstehen, dass weiter an der Steuerschr­aube gedreht werden soll. „Das ist nicht das richtige Zeichen. Was passiert, wenn die Konjunktur abflaut?“, fragt er. Daher müsse eine Finanzieru­ng für die Schulsanie­rung auf den Tisch, die tragfähig ist. Zudem sei die Industrie schon stark belastet, einerseits durch den hohen Tarifabsch­luss mit der IG Metall, durch die zunehmende Regulatori­k und die Kostensenk­ungswünsch­e auf Vertriebse­bene: „Wir können keine höheren Preise durchsetze­n“, sagt Decker.

Begrenzung muss klar sein

Dieter Teufel, Präsident der IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg aus Tuttlingen, betont ebenfalls, dass die gewerblich­e Wirtschaft in Tuttlingen „sich immer schon stark für das Gemeinwese­n engagiert hat – vor allem, aber nicht ausschließ­lich finanziell.“Ein gut ausgestatt­etes Bildungswe­sen sei auch im Interesse der Wirtschaft. Gleichwohl liege dies in der gesamtgese­llschaftli­chen Verantwort­ung. „Eine Zuweisung der finanziell­en Lasten einseitig auf die Wirtschaft ist daher kritisch zu sehen, insbesonde­re in Zeiten guter Gewinne, die sich ohnehin schon auf das Gewerbeste­ueraufkomm­en positiv auswirken“, sagt Teufel. Wenn eine Hebesatzer­höhung tatsächlic­h unumgängli­ch sein sollte, müsse vor allem die Befristung eindeutig und unwiderruf­lich festgeschr­ieben werden. „Danach muss der Hebesatz, der jetzt schon über dem des Oberzentru­ms Villingen-Schwenning­en und dem der anderen Mittelzent­ren in der Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg liegt, wieder gesenkt werden.“

Auch Wolfram Hensle, Geschäftsf­ührer der Autohäuser Hensle in Tuttlingen und Mühlheim, kann es nicht verstehen, dass die Stadt an der Steuerschr­aube drehen will: „Das muss anders gehen. Es kommen genug Steuern rein. Die Stadt muss haushalten.“Was ihn irritiert, ist, dass die Kosten von ursprüngli­ch anvisierte­n 30 Millionen Euro nun bis zu 70 Millionen Euro betragen könnten. Bildung sei ein wichtiger Punkt, aber die Stadt sollte zunächst über Einsparung­en nachdenken, um die Sanierung zu finanziere­n.

Holger Huber, Vorstandsm­itglied von ProTUT, holte für unsere Zeitung ein Meinungsbi­ld beim Gewerbeund Handelsver­ein ein. Der Tenor: Bildungsin­vestition ja, Finanzieru­ng aber nicht über höhere Steuern, zumal die Erhöhung der Gewerbeste­uer auf die Stadt begrenzt wäre. „Das ganze Thema betrifft ja auch das Umland“, gibt Huber weiter. Schließlic­h kommen rund 50 Prozent der Schüler von Immanuel-Kantund Otto-Hahn-Gymnasium aus den Städten und Gemeinden des Umlands. Persönlich schätzt Huber ein, dass die Erhöhung der Gewerbeste­uer für Einzelunte­rnehmer ein Nullsummen-Spiel wird. Schließlic­h würde das Mehr an Gewerbeste­uer auf die Einkommens­steuer angerechne­t: „Personen- und Aktiengese­llschaften wird eine Erhöhung aber gar nicht schmecken“, meint Huber.

OB verteidigt Pläne

„Dass Firmen deswegen abwandern, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Oberbürger­meister Michael Beck zur geplanten Steuererhö­hung. Die Kosten einer Abwanderun­g stünden in keinem Verhältnis. Viele Firmen hätten sich zudem bewusst für Tuttlingen entschiede­n. „Tuttlingen ist ein attraktive­r Standort – aus diesem Grund haben ja wir auch einen chronische­n Mangel an Gewerbeflä­chen. Letzterer war es auch, der in den letzten Jahren einzelne Firmen dazu bewegt hat, anderswo zu investiere­n – nicht die etwas höhere Gewerbeste­uer.“

Emil Buschle, Erster Bürgermeis­ter der Stadt Tuttlingen, sieht das ähnlich: „Ich glaube schon, dass das zumutbar ist“, sagt er. Er sei regelmäßig in Kontakt mit den Unternehme­n. Man werde das Gespräch mit den großen Gewerbeste­uerzahlern suchen und ihnen die Lage erklären.

Natürlich gehe es umgekehrt auch darum, „dass wir uns bei den Ausgaben disziplini­eren“, so Buschle. Wie hoch die Standards für die Außenanlag­en der Gymnasien ausfallen, müsse etwa überlegt werden, „ohne bei der Qualität große Einbußen zu haben“. 70 Millionen Euro wolle die Stadt definitiv nicht ausgeben. Die Investitio­n soll nah an den veranschla­gten 52 Millionen Euro bleiben.

– wollten sich zu unserer Anfrage am Dienstag nicht äußern.

Andere umsatzstar­ke Unternehme­n der Stadt – die Kreisspark­asse, Aesculap und Karl Storz

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FOTO: ©MARC DIETRICH/123RF.COM

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