Nach Eklat lenkt die Hermle AG ein
Wie es nach Irritationen über Steuern zur Einigung in Zimmern/Rottweil kam
● ROTTWEIL/ZIMMERN - Einige Tage lang hat in Zimmern ob Rottweil der Volkszorn getobt. Und mittendrin die Hermle AG, die in Frage stellte, ob sie im dortigen Gewerbegebiet Inkom ihren zweiten großen Standort neben dem Stammsitz in Gosheim ausbauen soll. (Wir haben berichtet.) Inzwischen haben sich die Wogen geglättet.
Rottweil und Zimmern haben das „Inkom“1999 unter Geburtswehen gegründet. Es lief zäh an, doch mittlerweile hat sich das Gewerbegebiet auf Gemarkung Zimmern zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Mehr als 40 Firmen haben sich angesiedelt. Es gibt weitere Anfragen, aber kaum noch Platz. Schon 2016 hatte sich die Firma Hermle ein vier Hektar großes Grundstück gesichert, um eine 100 Meter lange und 20 Meter hohe Fabrikhalle zu bauen. Seit September 2017 ist dort eine hochmoderne Produktion für Maschinen-Grundgestelle mit bisher 25 Arbeitsplätzen in Betrieb.
Dass sich die Hermle AG um weitere Flächen bemüht, wie es in Inkom-Kreisen heißt, will Beck nicht bestätigen. Es gebe noch freie Flächen auf den vier Hektar. Rottweil und Zimmern planten frühzeitig eine Erweiterung. Mehrfach tagten die Gemeinderäte nichtöffentlich, trafen sich Anfang Dezember 2017 sogar zu einer zweitägigen Klausurtagung und legten die Modalitäten fest. Alles schien klar zu sein. Am Dienstag (Zimmern) und Mittwoch (Rottweil) dieser Woche sollten die Gremien die Vereinbarungen endgültig genehmigen.
Allerdings ging der Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß bereits vorab in einem Pressegespräch ungefragt auf Einzelheiten ein. Unbestritten ist eine Vergrößerung um 20 Hektar. Außerdem erklärte er, die Gewerbesteuer werde von bisher 340, wie auch in der Gemeinde Zimmern üblich, auf den Rottweiler Satz von 370 Prozent erhöht (In Gosheim sind es 300). Damit hatte der OB einen Mehrfrontenkampf eröffnet. Seine Absichten verstand niemand. Offenbar wollte er vollendete Tatsachen schaffen. In Zimmern machte sich Volkszorn breit und die Hermle AG verlautbarte, „aktuell anstehende Entscheidungen über weitere geplante Investitionen“würden nun „in Frage gestellt“. Das machte die Wut in Zimmern noch größer. Selbst Gemeinderäte beschuldigten den ungeliebten Nachbarn in Leserbriefen, er spiele mit falschen Karten, habe die Zimmerner „über den Tisch gezogen“und wolle die Macht. Und immer wieder fiel das Wort Eingemeindung. Dass es bei der Gemeindereform nicht dazu kam, haben die Zimmerner nach Überzeugung von Zeitzeugen vor allem ihrem größten Sohn zu verdanken, Erwin Teufel.
Altes Misstrauens kam wieder hoch, als der langjährige Rottweiler Stadtrat Dieter Albrecht (Freie Wähler) im vergangenen März als Bürgermeister in Zimmern kandidierte und als einziges Ziel die Eingemeindung nach Rottweil ausgab. Er bekam 8,5 Prozent der Stimmen. Bürgermeisterin wurde Carmen Merz aus Schömberg mit 90 Prozent. Sie stand in der Gemeinderatssitzung am Dienstag vor mehr als 100 Bürgern unter Druck. Sie besänftigte die Volksseele, indem sie die Sachlage darstellte. Dazu gehöre, sagte sie, dass keinerlei Vereinbarung über eine Erhöhung der Gewerbesteuer getroffen worden sei. Und dann rechnete sie vor, dass Zimmern weniger als 3000 Euro mehr einnehmen würde, wenn die Vereinbarung schon in diesem und nicht erst nächstes Jahr in Kraft träte. Der Gemeinderat stimmte mit 12:6 Stimmen zu – unter der Voraussetzung, dass die Steuer nicht steigt.
Bereits am Abend vorher hatte der Rottweiler Oberbürgermeister beim Hermle-Vorstand angerufen und erklärt, niemand habe die Absicht, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Und so teilte die Hermle AG am Mittwochnachmittag mit, unter der Voraussetzung, dass der Steuersatz stabil bleibe, werde man den Standort Inkom „in den kommenden Jahren ausbauen“. So stimmte dann auch der Rottweiler Gemeinderat am Mittwochabend der Vereinbarung mit 26:0 Stimmen zu, auch wenn mehrere Räte betonten, man hätte den Steuersatz, der bei 340 Punkten bleibt, schon gerne erhöht, und ein Vertreterin des eher linken Forum für Rottweil „die Einflussnahme von Wirtschaftsbetrieben auf politische Entscheidungen“kritisch sieht.