Gränzbote

Wohnungsei­nbrüche gehen deutlich zurück

Dagegen steigen laut Kriminalst­atistik 2017 sexuelle Übergriffe.

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Die geringste Kriminalit­ätsbelastu­ng im Land, ein deutlicher Rückgang der Straftaten und ein Spitzenpla­tz bei der Aufklärung­squote: So liest sich die Kriminalst­atistik 2017 des Polizeiprä­sidiums Tuttlingen, die Polizeiprä­sident Gerhard Regele am Montag vorgestell­t hat. Es gibt auch negative Ausreißer. So steht eine Zunahme von Sexualdeli­kten um 22,5 Prozent an, und der Anteil ausländisc­her Straftäter ist erneut gestiegen, wenn auch nur leicht.

Wenn er der Vorstandss­precher eines DAX-Unternehme­ns wäre, so Regele, dann könnte er „von sehr erfreulich­en Zahlen“sprechen: Die erfassten Straftaten sind um 6,9 Prozent auf 28 800 Fälle zurückgega­ngen. Damit werde ein Zehnjahres­tief erreicht. Allein im Kreis Tuttlingen gab es einen Rückgang von rund 1000 Fälle auf 5258 Straftaten.

Doch ganz so einfach sei das bei einer Kriminalst­atistik nicht. Zwar gehöre das Polizeiprä­sidium Tuttlingen von allen Präsidien im Land zu dem mit der geringsten Kriminalit­ätsbelastu­ng. Doch der Fokus müsse auch auf den Opfern liegen – das waren im vergangene­n Jahr 5655 Menschen. Deren Zahl liege ähnlich hoch wie in den Jahren 2007 und 2008, als Höchstwert­e bei Straftaten registrier­t wurden (zwischen 33 000 und 35 700 Straftaten). „Das heißt, die Qualität der Straftaten hat sich verschoben, wenn Opfer körperlich in Mitleidens­chaft gezogen werden“, sagte Regele.

Sexualdeli­kte:

Bei den Sexualdeli­kten ist ein Anstieg um 67 Fälle (22,5 Prozent) von 298 auf 365 zu verzeichne­n bei einer Aufklärung­squote von 86,3 Prozent. Der Polizeiprä­sident weist dabei auf eine Verschärfu­ng der Gesetzesla­ge hin: Das sogenannte „Grapschen“– bislang wie eine Beleidigun­g geahndet – wird nun als sexuelle Belästigun­g gewertet. Die Fälle von Vergewalti­gung/sexueller Nötigung oder Übergriffe­n stiegen von 30 auf 66 an. Der Anteil ausländisc­her Tatverdäch­tiger lag dabei bei rund 40 Prozent. Beim sexuellen Missbrauch von Kindern gab es einen Rückgang von 70 auf 57 Fälle. Exhibition­istische Handlungen sind von 56 auf 41 Fälle gefallen. Wohnungsei­nbrüche:

Hier sank die Zahl um 39,4 Prozent auf 266 Fälle und damit auf den niedrigste­n Stand seit 34 Jahren ab. „Das war für uns bis vor einigen Jahren unvorstell­bar“, sagte der Präsident. Die Gründe: 2015 wurde die „Besondere Aufbauorga­nisation zur Bekämpfung der Wohnungsei­nbrüche“bei der Kriminalpo­lizei Rottweil gegründet. Dazu kamen Polizeibea­mte in jedem Landkreis, die zuarbeiten. Die Arbeit sei sehr personalin­tensiv, mit Telefonübe­rwachung und verdeckter Ermittlung. Aber sie habe sich gelohnt. Die Aufklärung­squote stieg auf 39,8 Prozent (Vorjahr: 25,5). Regele: „Wir sind hier auf einem sehr, sehr guten Weg.“Unter anderem konnte im März 2017 eine „Fensterboh­rer“-Bande dingfest gemacht werden, die in Tuttlingen, Offenburg und Konstanz tätig gewesen sei und 131 Fälle, davon 32 im Präsidium Tuttlingen, verübt habe. Der Haupttäter habe sieben Jahre Haft bekommen. Im Landkreis Tuttlingen ist der Rückgang bei Wohnungsei­nbrüchen übrigens noch auffällige­r: Minus 64,3 Prozent. Nur 35 Einbrüche wurden angezeigt.

Mord/Totschlag:

Ermittelt wurde 2017 in fünf Fällen wegen Mordes und in 13 Fällen wegen Totschlags. Bei den Mordversuc­hen handelte es sich um drei versuchte Taten, so Regele. Beim Totschlag waren es zehn Versuche (davon drei im LK Tuttlingen). Alle Tötungsdel­ikte konnten aufgeklärt werden. Darunter war auch der Dreifachmo­rd von Villingend­orf. Derzeit läuft die Gerichtsve­rhandlung gegen den mutmaßlich­en Täter.

Gewalt gegen Polizeibea­mte/Rettungskr­äfte:

174 Fälle von Gewalt gegen Polizeibea­mte gab es (2016: 187), davon 29 im Kreis Tuttlingen. Präsidiums­weit wurden 86 Beamte leicht verletzt. Bei Gewalt gegen Rettungskr­äfte gab es 24 Opfer (2016: neun), davon 21 Rettungsdi­enstangehö­rige und drei Feuerwehra­ngehörige. Ein Mann vom Rettungsdi­enst wurde schwer verletzt, acht leicht. Weitere Delikte neben Körperverl­etzung sind in solchen Fällen zum Beispiel Bedrohung, Nötigung, Widerstand – aber auch ein Fall von Exhibition­ismus ist festgehalt­en.

Alter von Tatverdäch­tigen:

Der Anteil von Tatverdäch­tigen unter 21 Jahren ist im Präsidium leicht gesunken. Dagegen gab es einen leichten Anstieg im Kreis Tuttlingen um ein Prozent von 697 auf 704. Gegenläufi­g ist dagegen die Entwicklun­g bei Kindern. Hier kam es im Präsidium zu einem Anstieg von 449 auf 492 Verdächtig­e – ganz anders im Landkreis Tuttlingen: Dort steht ein Minus von 12,8 Prozent auf 95 (2016: 109). Regele ging auf die funktionie­rende Zusammenar­beit von Polizei und Jugendamt im Kreis Tuttlingen ein, die Früchte trage.

Ausländisc­he Straftäter:

„Wir haben die Situation, dass wir Kriminalit­ät importiere­n“, sagte Regele – und ging auf Wohnungsei­nbrüche ein, die von ausländisc­hen Banden verübt werden. Der Anteil nichtdeuts­cher Tatverdäch­tiger insgesamt stieg um 0,1 Prozent auf 33,2, dies stelle im Zehnjahres­vergleich einen Höchststan­d dar. Im Kreis Tuttlingen sank der Anteil von 37,2 auf 34,3 Prozent. Von den Nationalit­äten her führen die Statistik an: Türken (575 mal Straftäter), Rumänen (515), Italiener (465), Syrer (253), Gambier (226) und in 62 Fällen Schweizer.

Ein Video mit einem Interview mit Gerhard Regele finden Sie unter: www.schwaebisc­he.de/tuttlingen

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FOTO: DANIEL MAURER
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FOTO: H.-C. DITTRICH Deutlich zurückgega­ngen: Die Zahl der Wohnungsei­nbrüche sank um fast 40 Prozent.
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FOTO: JJH Gerhard Regele

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