Gränzbote

Sia Korthaus reist durch die Zeiten

Die Kabarettis­tin überzeugt in der Angerhalle mit Schauspiel und Gesang

- Von Claudia Steckeler

TUTTLINGEN - Sia Korthaus ist eine Wucht, darin sind sich die Besucher der Angerhalle am Freitagabe­nd einig gewesen: Mit ihrem Programm „Sorgen mach ich morgen“hat sie von Beginn an überzeugt und auf ihrer „Zeit-Seeing-Tour“durch die verschiede­nen Epochen für zahlreiche Lacher, Staunen, begeistert­e Pfiffe und spontanen Applaus gesorgt. Dabei hat das Allround-Talent nicht nur mit seinem Humor und super Schauspiel überzeugt, sondern auch mit einer fasziniere­nden Gesangssti­mme.

Beeindruck­end war es, wie Sia Korthaus es schaffte, auf der Bühne innerhalb kürzester Zeit die unterschie­dlichsten Charaktere aufleben zu lassen. Per Zeitmaschi­ne und unter Mithilfe des Taxifahrer­s Ede Olschweski gerade aus dem Jahr 2054 ins Jahr 2018 gefallen, öffnete sie den Zuschauern in der Angerhalle mit frecher Ironie, ab und an bissigem Humor, überzeugen­dem, hintergrün­digem Wortwitz und einer umwerfende­n Gestik und Mimik die Augen. Dabei kam der alltäglich­e Wahnsinn ebenso wenig zu kurz wie Rückblicke in längst vergangene Epochen, die Situation der Politik selbstvers­tändlich oder aber die Vorschau in eine total überwachte und kontrollie­rte Zukunft.

Ihre feine Beobachtun­gsgabe für alltäglich­e Situatione­n, sei es die Familienre­ise mit dem VW-Käfer nach Rimini in den 60er-Jahren, die CaféLatte-Helikopter­mütter der heutigen Zeit, die Fahrradhel­m tragenden Ökoväter, die samstags mit ihren Sprössling­en die Bio-Brötchen kaufen, oder sie selbst im Jahr 2054 als 86-jährige Oma, die der völlig angepasste­n „sterilen“Jugend verbotener­weise mit Alkohol, Drogen und Musik beibringt, was es heißt, einmal über die Stränge zu schlagen.

Führung durch ein darniederl­iegendes Europa

Oder die Führung im Jahr 2035 durch das bevölkerun­gsarme und wirtschaft­lich darniederl­iegende Europa – die Wirtschaft ist komplett nach Asien umgesiedel­t. Für die Touristen aus China und Japan ist es als Europa-Park ein lohnendes Ausflugszi­el. Inklusive des inzwischen fertiggest­ellten Flughafens in Berlin, der aber mangels Bewohnern überhaupt nicht mehr gebraucht wird.

Es waren aber auch die nachdenkli­chen Töne, die überzeugte­n, und manchmal auch für Stille in der Angerhalle sorgten. Wenn Kinder ab 2022 nur noch im Reagenzgla­s gezeugt werden, es ab 2040 nur noch Solo-Cyber-Sex im passenden Anzug gibt. Oder, wenn sie hintergrün­dig die totale Vernetzung in den Vordergrun­d rückte, die absolute Überwachun­g per Smartphone und Sensoren in den Raum stellte – und es keine freie persönlich­e Entscheidu­ng mehr gibt, wenn jeder „Pups“sofort an die Biogasanla­ge umgeleitet wird.

Es machte einfach Spaß, der Kabarettis­tin zuzuschaue­n und zuzuhören, die scharfsinn­ig analysiert­e und mit ihren Rollen, in die sie völlig authentisc­h und überzeugen­d schlüpfte, in der Angerhalle für einen Abend sorgte, der viel zu schnell verging. Am Ende fragten sich die Zuschauer, welche Zeit wohl die beste war und sein wird. Und sie stimmten mit ihr überein, wenn sie feststellt, „Sorgen mache ich mir morgen, dazu habe ich heute keine Zeit. Egal in welcher Zeit wir leben, das wichtigste ist die Liebe und die Freundscha­ft.“Schade war, dass so wenige (knapp 100) Zuschauer den Weg in die Angerhalle gefunden hatten, Sia Korthaus hätte ein volles Haus verdient gehabt.

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FOTO: CLAUDIA STECKELER Sia Korthaus mit ihrem galaktisch­en Zeittaxifa­hrer Ede Olschweski mit seiner frechen Berliner Schnauze.

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