Sia Korthaus reist durch die Zeiten
Die Kabarettistin überzeugt in der Angerhalle mit Schauspiel und Gesang
●
TUTTLINGEN - Sia Korthaus ist eine Wucht, darin sind sich die Besucher der Angerhalle am Freitagabend einig gewesen: Mit ihrem Programm „Sorgen mach ich morgen“hat sie von Beginn an überzeugt und auf ihrer „Zeit-Seeing-Tour“durch die verschiedenen Epochen für zahlreiche Lacher, Staunen, begeisterte Pfiffe und spontanen Applaus gesorgt. Dabei hat das Allround-Talent nicht nur mit seinem Humor und super Schauspiel überzeugt, sondern auch mit einer faszinierenden Gesangsstimme.
Beeindruckend war es, wie Sia Korthaus es schaffte, auf der Bühne innerhalb kürzester Zeit die unterschiedlichsten Charaktere aufleben zu lassen. Per Zeitmaschine und unter Mithilfe des Taxifahrers Ede Olschweski gerade aus dem Jahr 2054 ins Jahr 2018 gefallen, öffnete sie den Zuschauern in der Angerhalle mit frecher Ironie, ab und an bissigem Humor, überzeugendem, hintergründigem Wortwitz und einer umwerfenden Gestik und Mimik die Augen. Dabei kam der alltägliche Wahnsinn ebenso wenig zu kurz wie Rückblicke in längst vergangene Epochen, die Situation der Politik selbstverständlich oder aber die Vorschau in eine total überwachte und kontrollierte Zukunft.
Ihre feine Beobachtungsgabe für alltägliche Situationen, sei es die Familienreise mit dem VW-Käfer nach Rimini in den 60er-Jahren, die CaféLatte-Helikoptermütter der heutigen Zeit, die Fahrradhelm tragenden Ökoväter, die samstags mit ihren Sprösslingen die Bio-Brötchen kaufen, oder sie selbst im Jahr 2054 als 86-jährige Oma, die der völlig angepassten „sterilen“Jugend verbotenerweise mit Alkohol, Drogen und Musik beibringt, was es heißt, einmal über die Stränge zu schlagen.
Führung durch ein darniederliegendes Europa
Oder die Führung im Jahr 2035 durch das bevölkerungsarme und wirtschaftlich darniederliegende Europa – die Wirtschaft ist komplett nach Asien umgesiedelt. Für die Touristen aus China und Japan ist es als Europa-Park ein lohnendes Ausflugsziel. Inklusive des inzwischen fertiggestellten Flughafens in Berlin, der aber mangels Bewohnern überhaupt nicht mehr gebraucht wird.
Es waren aber auch die nachdenklichen Töne, die überzeugten, und manchmal auch für Stille in der Angerhalle sorgten. Wenn Kinder ab 2022 nur noch im Reagenzglas gezeugt werden, es ab 2040 nur noch Solo-Cyber-Sex im passenden Anzug gibt. Oder, wenn sie hintergründig die totale Vernetzung in den Vordergrund rückte, die absolute Überwachung per Smartphone und Sensoren in den Raum stellte – und es keine freie persönliche Entscheidung mehr gibt, wenn jeder „Pups“sofort an die Biogasanlage umgeleitet wird.
Es machte einfach Spaß, der Kabarettistin zuzuschauen und zuzuhören, die scharfsinnig analysierte und mit ihren Rollen, in die sie völlig authentisch und überzeugend schlüpfte, in der Angerhalle für einen Abend sorgte, der viel zu schnell verging. Am Ende fragten sich die Zuschauer, welche Zeit wohl die beste war und sein wird. Und sie stimmten mit ihr überein, wenn sie feststellt, „Sorgen mache ich mir morgen, dazu habe ich heute keine Zeit. Egal in welcher Zeit wir leben, das wichtigste ist die Liebe und die Freundschaft.“Schade war, dass so wenige (knapp 100) Zuschauer den Weg in die Angerhalle gefunden hatten, Sia Korthaus hätte ein volles Haus verdient gehabt.