Auf den Spuren Bobby Fischers
Der 25-jährige Amerikaner Fabiano Caruana verblüfft einmal mehr die Schachwelt und trifft im WM-Kampf nun auf Magnus Carlsen
BERLIN (SID) - Beim Gang durch das Blitzlichtgewitter der Fotografen wirkte Fabiano Caruana ein wenig verloren. Dass er nach seinem Erfolg beim Schach-Kandidatenturnier in Berlin derart im Mittelpunkt stand, war dem schüchternen US-Amerikaner unangenehm. Caruana wird sich daran gewöhnen müssen. Denn sein WMKampf im November in London gegen den norwegischen Weltmeister Magnus Carlsen elektrisiert die SchachWelt schon jetzt.
Besonders für Ausrichter Agon, der sich eine bessere Vermarktung des kühlen Denkersports auf die Fahnen geschrieben hat, ist das bevorstehende „CaCa-Duell“ein Geschenk. Erstmals seit dem legendären Bobby Fischer kämpft ein US-Amerikaner um die Krone. Die Offiziellen hoffen auf einen Hype, vergleichbar mit dem um Fischer in den 70er Jahren – oder mit dem „Wahnsinn“um Carlsen. Nach dessen erstem WM-Triumph waren in Norwegen prompt die Schachbretter ausverkauft gewesen.
„Das ist ohne Zweifel der größte Moment meiner Karriere“, sagte Caruana, nachdem er sich im achtköpfigen Teilnehmerfeld durch den fünften Sieg bei acht Remis und einer Niederlage durchgesetzt hatte. An Carlsen schickte der 25-Jährige eine vorsichtig formulierte Kampfansage. „Er ist zwar der beste Schachspieler der Welt und einer der Größten aller Zeiten“, sagte Caruana, „aber er ist noch immer ein Mensch. Auch er macht Fehler.“
Carlsen wiederum gratulierte via Twitter zu „einem hochverdienten Sieg“. Schon während des 18-tägigen Turniers hatte der Titelverteidiger Caruana als seinen „würdigsten Kontrahenten“geadelt. In der Bilanz liegt er gegen den zwei Jahre jüngeren Rivalen nur leicht vorne. Der Respekt vor dem Herausforderer, der mit 2844 einst die dritthöchste Elo-Zahl der Geschichte aufwies, ist groß.
Wie viele Schachspieler ist Caruana im Grunde ein unscheinbarer Typ. Ein schmächtiger Junge mit dicken Brillengläsern und krausem Lockenkopf. Doch in der Welt des Schachsports ist er quasi ein Posterboy. Er stottert oder lispelt nicht wie einige seiner Rivalen und ist mit seiner nüchternen Klarheit ähnlich charismatisch wie der Schach-Popstar Carlsen. 1992 in Miami als Sohn eines Amerikaners und einer Italienerin geboren, wuchs er im New Yorker Stadtteil Park Slope auf, dort, wo einst auch Bobby Fischer lebte. Mit sechs Jahren nahm er Unterricht beim bekannten Schach-Lehrer Bruce Pandolfini, mit zehn schlug er erstmals einen Großmeister. Als er zwölf war, zogen seine Eltern mit ihm nach Europa, wo er bald Turniere für Italien spielte. Erst im Mai 2015 wechselte er zurück zum Verband der USA. Sein Stern war da bereits aufgegangen. Beim Sinquefield Cup 2014 glückten ihm sieben Siege in Serie gegen die Besten der Welt, auch gegen Carlsen. Schon im Kandidatenturnier 2016 galt er daraufhin als Favorit, doch der Russe Sergej Karjakin schnappte ihm den Sieg am Ende vor der Nase weg.