Brasiliens Ex-Präsident Lula mit einem Bein im Gefängnis
Oberster Gerichtshof lehnt Antrag auf Haftverschonung ab – Kandidatur bei der Präsidentenwahl im Oktober unwahrscheinlich
● MEXIKO-STADT - Brasiliens linker Ex-Staatschef Lula da Silva hat einen wohl entscheidenden Rückschlag in seinem Kampf gegen die Haftstrafe wegen einer Korruptionsverurteilung und für eine erneute Präsidentschaftskandidatur erlitten. Das Oberste Gericht in der Hauptstadt Brasilia wies nach einer Marathonsitzung von nahezu zwölf Stunden knapp mit 6:5 Stimmen Lulas Versuch zurück, den Haftantritt zu vermeiden, bis in dem Hauptsacheverfahren alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Seine erneute Kandidatur bei der Präsidentenwahl im Oktober dürfte sich damit zerschlagen haben.
Den Ausschlag gab eine halbe Stunde nach Mitternacht die Präsidentin des Gerichts, Carmen Lucía, die gegen Lula stimmte. Die elf Richter hatten lediglich darüber zu befinden, ob der Politiker der linken Arbeiterpartei PT trotz einer Verurteilung in zweiter Instanz noch in Freiheit bleiben kann. Der 72-Jährige war Ende Januar von einem Bundesberufungsgericht wegen Vorteilsnahme und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einen Monat Gefängnis verurteilt worden. Eigentlich hätte Lula umgehend in Haft genommen werden müssen, rief aber das Oberste Gericht zur Haftprüfung an. Doch auch hier unterlag der Ex-Staatschef, der in den Umfragen für die Präsidentenwahl am 7. Oktober vorn liegt. Da Silva, der Brasilien von 2003 bis 2011 regierte, wirft der Justiz vor, gegen ihn ein politisches Verfahren zu führen, um seine neue Präsidentschaft zu verhindern.
Lula muss aber vermutlich dennoch nicht sofort in Haft, sondern hat noch eine allerletzte Einspruchsmöglichkeit vor dem erstinstanzlichen Gericht in Porto Alegre bis zum 10. April. Aber laut Juristen ist es nahezu ausgeschlossen, dass der Ex-Staatschef so noch dem Weg ins Gefängnis entgeht. Wenn dann anschließend die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl ausstellt, gibt es keinen Ausweg mehr.
Noch in der Nacht versammelten sich Lulas Anhänger vor seinem Haus in São Bernardo do Campo, um ihre Solidarität zu bekunden. Politiker aller Parteien reagierten auf den Richterspruch: „Ein klares Zeichen, dass das Gesetz für alle gilt“, feierte der Chef der Demokratischen Partei DEM, Rodrígo Garcia. Senatorin Gleisi Hoffman, Vorsitzende von Lulas Partei PT, sprach hingegen von einem „traurigen Tag für die Demokratie und für Brasilien“.
Zehntausende demonstrieren
Die drohende Inhaftierung Lulas dürfte die angespannte politische Situation verschärfen. Das Verfahren spaltet Brasilien. Auch am Mittwoch demonstrierten landesweit vor der Urteilsverkündung Zehntausende Gegner und Anhänger des 72-Jährigen. Eine Kandidatur Lulas bei der Präsidentenwahl in einem halben Jahr ist so gut wie ausgeschlossen. Das Gesetz „Ficha-Limpa“, das Gesetz der Weißen Weste, schließt rechtskräftig Verurteilte von politischen Ämtern aus. Der Ausschluss ist kein Automatismus, er muss vom Obersten Wahlgericht auf Antrag des Berufungsgerichts bestätigt werden.