Ein Motorradunfall führte sie einst zum Ehrenamt
Helga Schad vom DRK hilft seit über 50 Jahren, wo sie kann
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TUTTLINGEN - Eine stille Heldin Auf wenige Leute trifft diese Bezeichnung mehr zu als auf Helga Schad. Sie hilft unter anderem seit 1958 bei den Blutspendeterminen des Deutschen Roten Kreuzes in Tuttlingen mit und verbringt vier Tage pro Woche im DRK-Kleiderladen. Außerdem leitet sie ein Mal in der Woche einen Bastelkreis im Altenzentrum St. Anna und hat nebenher noch einen Haushalt zu versorgen. Das und noch einiges mehr macht sie immer mit einem Grundgedanken: „Man sollte nicht Gutes tun, um die Lorbeeren einzuheimsen, sondern um Gutes getan zu haben.“
Helga Schad bezeichnet sich selbst als Flüchtlingskind: „Wir haben im Sudetenland gelebt“, erzählt sie. Ihre Eltern waren bei der Eisenbahn als Fahrkartenkontrolleure angestellt. Als Schad gerade zwei Jahre alt war, flüchtete der Vater nach Deutschland: „Mein Bruder war acht Wochen alt. Unser Vater hat uns dann mit Hilfe des DRK nachholen können“, erzählt Schad. So kam sie schließlich nach Lorch. „Für mich ist diese Stadt immernoch meine Heimat“, erzählt sie lächelnd.
Als der Vater schließlich 1957 wegen der Arbeit nach Tuttlingen kam, musste Schad ihre Lehre zur Schneiderin kurz vor den Abschlussprüfungen abbrechen. Hier angekommen schloss sie dann aber eine Ausbildung als Verkäuferin ab. Anschließend fuhr sie 21 Jahre lang hauptberuflich Busse für behinderte Kinder.
Ihre langjährige ehrenamtliche Arbeit beim DRK begann mit einem tragischen Unfall: Als Helga Schad gerade 12 Jahre alt und mit zwei Freundinnen auf dem Heimweg von der Schule war, hörte sie auf einmal einen Knall. Ein Motorradfahrer, der ohne Helm unterwegs war, knallte frontal mit dem Kopf gegen eine Mauer, etwa 15 Meter von Schad und ihren Freundinnen entfernt. Noch heute erinnert sie sich an jede Sekunde des Vorfalls. „Ich war sehr hilflos. Was sollten wir denn tun? Meine Freundin ist dann in den Kaufladen gerannt. Der Mann hatte aber keine Chance, sein ganzer Kopf hat geblutet“, erzählt sie.
Später wurde sie von einem Bekannten des Vaters zum DRK eingeladen und wechselte nach dem Umzug 1957 nach Tuttlingen in die ansässige Ortsgruppe. „Ich war froh, beim DRK so gut aufgenommen worden zu sein. Als ich nach Tuttlingen kam, hatte ich keine Freunde, nicht einmal Bekannte. Durch das DRK hatte ich von Anfang an einen Freundeskreis, der mich ohne wenn und aber aufgenommen hat.“
Keine Blutspendeaktion verpasst
Ein Jahr später, 1958 war Helga Schad dann auch bei der ersten Blutspende im Kreis Tuttlingen dabei. „Die Männer trugen Anzüge und wir Frauen ein Kleid, eine Schürze und ein Häubchen“, erzählt sie. Seit diesem Jahr hat sie keine der Tuttlinger Blutspendeaktionen verpasst. Inzwischen arbeitet sie jedoch hinter den Kulissen in der Küche: „Ich habe den Jungfüchsen das Feld überlassen“, erklärt sie lachend. Heute ist sie nach wie vor Bereitschaftsführerin, hat aber nach eigener Aussage „nicht mehr viel zu melden“. Sie sieht sich selbst eher als alteingesessene Ansprechpartnerin.
Neben der Tätigkeit beim Roten Kreuz und den Verpflichtungen als vierfache Mutter arbeitet Schad seit zwei Jahren an vier Tagen in der Woche im DRK Kleiderladen in Tuttlingen. Außerdem gibt sie mittwochs einen Bastelkurs im Altenzentrum St. Anna. Dieser bedeutet ihr besonders viel: „Sie können sich den Ausdruck in den Augen nicht ausmalen, wenn die alten Leute einen glücklich und dankbar ansehen“, erzählt sie. Trotzdem wird Schad durch diese Tätigkeit auch ihr eigenes Alter bewusst: Im Bastelkurs betreut sie teilweise Leute, die jünger sind als sie selbst: „Man wird selbst auch älter und fragt sich dann: ’Wird es mir selbst auch mal so gehen?’“
Doch auch der Kleiderladen hat Helga Schad die Augen geöffnet. Sie erzählt mit Tränen in den Augen, dass man den Menschen, die bei ihr einkaufen, teilweise die Armut ansehen kann. „Auch deutsche Menschen sind arm. Es tut gut, bei etwas mitzuwirken, mit dem man ihnen helfen kann. Aber ich glaube, dass das Thema Armut mit der Zeit noch schlimmer werden wird.“Es sei schwer, ehrenamtliche Helfer zu generieren, gerade, weil man viel Zeit und Herzblut in den Laden stecken müsse, so Schad. Vor einiger Zeit hat sich jedoch ein neuer Helfer bei ihr beworben: Ammah ist ein Flüchtling aus Syrien. Er will im Kleiderladen Deutsch lernen und einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen.
Wenn Helga Schad dann doch einmal Freizeit hat, strickt, häkelt und näht sie. So sind sogar schon Miniaturausgaben der Tuttlinger Narrenfiguren entstanden, die sie als Puppen in langwieriger Handarbeite gießt, bemalt und einkleidet (wir berichteten). Die Lust am Ausprobieren ist Schad in die Wiege gelegt: „In meiner Familie wird alles, was uns interessiert, so lange ausprobiert, bis es klappt“, erzählt sie lachend.