Mord an Ehefrau schockiert vor 25 Jahren
Stand die 31-Jährige ihrem Mann im Weg? Gerichtsverfahren mit Besonderheiten
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WEHINGEN - Enormes öffentliches Interesse hat eine Mordtat vor 25 Jahren ausgelöst: Ein damals 34-jähriger Buchhalter, Anlageberater und Versicherungsvertreter hat am 2. Februar 1993 seine 31-jährige Ehefrau in Wehingen erschossen und wurde dafür ein Jahr später zu lebenslanger Haft verurteilt. Eine große Rolle für dieses Strafmaß spielte das Gutachten des Tübinger Gerichtsmediziners. Und das Verfahren dominierten juristische Strategien der Verteidiger.
Im Unklaren blieb beim Gerichtsurteil das Motiv des Täters: Die Rede war während des auf mehrere Tage angesetzten Verfahrens von hohen Lebensversicherungen, die der Familienvater auf seine Frau abgeschlossen hatte, und davon, dass ihm die Ehefrau dabei im Weg stand, mit einer neuen Freundin in Kenia ein neues Leben aufzubauen, wie der Staatsanwalt in seiner Anklage vermutete. Ein weiteres Motiv legte die Zeugenbefragung bezüglich der gegenseitig toleranten Haltung gegenüber anderen Partnern nahe, die dem Ehemann dann doch zu viel geworden sei.
Doch das Gericht legte sich nicht auf ein Motiv fest. Der Mord war für die Schwurgerichtskammer vor allem durch das Gutachten des Rechtsmediziners bewiesen und die vielen behaupteten Unglückszufälle, die nicht glaubwürdig seien, sowie durch das verdächtige Verhalten des Mannes nach der Tat. Der Rechtsmediziner hatte eine Schussdistanz von fünf bis zehn Zentimetern von unten nach oben in den Nacken festgestellt und nicht von 30 bis 50 Zentimetern waagerecht, wie der Angeklagte in einer Videorekonstruktion mit der Polizei gezeigt hatte.
Ans Licht gekommen war die Tat so zufällig wie gruselig: Einem Mieter war ein Karton komisch vorgekommen, der im Keller des Hauses in Schwenningen abgestellt war, das dem Wehinger gehörte. Er tastete hinein, fühlte etwas Weiches und machte ihn dann ganz auf. Da war in hockender Haltung die Leiche der jungen Frau in Plastik verpackt. Das Ganze geschah drei Wochen nach dem Mord, wie sich später herausstellte.
So hat sich die Tat abgespielt: Der Mann erschoss seine Frau im Ehebett, versteckte die Leiche in seinem Arbeitszimmer und beseitigte die Spuren im Schlafzimmer. Am nächsten Tag schaffte er die Tote in die Garage und einen weiteren Tag später steckte er sie in einen Plastiksack, quetschte sie ein einen Karton und verfrachtete die Schachtel mit Hilfe eines Bekannten im Transporter des Schwiegervaters in den Keller seines Mietshauses in Schwenningen, wo sie vermutlich ebenfalls nur zwischengelagert werden sollte.
Folgendes Szenario hatte der Täter der Polizei geschildert, vor Gericht schwieg der Wehinger: Er habe einen Tag vor der Tat abends an einem Parkplatz in der Region eine Plastiktüte gesehen, sie geöffnet und die Pistole gefunden. Er habe sie im Wagen mitgenommen, um sie der Polizei zu bringen, legte sie am nächsten Tag in sein Arbeitszimmer, habe dann seiner Frau, die sich bereits hingelegt habe, von ihr erzählt und just, als sie den Kopf abgewandt habe, habe sich ein Schuss gelöst. Ein Unglück.
Befangenheitsanträge abgelehnt
Das Verfahren im Februar und März 1994 hatte mit Befangenheitsanträgen – erst gegen den Staatsanwalt, der keine Zeugen aus Kenia einfliegen lassen wollte, dann gleich gegen das ganze Gericht – begonnen. Beide Anträge wurden abgelehnt. Nach dem Urteil am 4. März legte die Verteidigung Revision ein: Die Videorekonstruktion mit dem 125 Kilo schweren Mann durch die Polizei sei nicht auf dem Bett, sondern auf einem Holzkasten gemacht worden. Einen Vor-Ort-Termin in Trossingen, wohin das Bett inzwischen verkauft worden war, hatte das Gericht abgelehnt. Im November 1994 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision.
Das Rottweiler Landgericht hatte in seinem Urteil dem 34-Jährigen nicht geglaubt, beginnend von der Geschichte des Waffenfundes: Erstens lägen in Deutschland nicht dutzendweise geladene und entsicherte Waffen in Plastiktüten in der Landschaft herum, zum anderen sei es kaum vorstellbar, dass ein halbwegs zivilisierter Mensch mitten in der Nacht eine von vielen anderen herumliegenden Plastiktüten auf ihren Inhalt untersuche. Auf einen heimtückischen Mord deute aber vor allem das Verhalten nach der Tat hin. Statt die Polizei oder den Rettungswagen zu rufen, wie nach einem Unfall, habe er Spuren verwischt, die Pistole verschwinden lassen, die Leiche beseitigt und die Frau als vermisst gemeldet.
Besonders tragisch an diesem Fall: Zwei Kinder im Grundschulalter verloren durch den eigenen Vater ihre Mutter.