Gränzbote

Soziale Organisati­onen kämpfen mit Wohnungsno­t

Angepriese­ne Lösungen kommen nicht infrage: Selbst Neubau an der Stuttgarte­r Straße ist für ihr Klientel zu teuer

- Von Sabine Krauss

TUTTLINGEN - Allmählich kommt Fahrt in die Förderung des Tuttlinger Wohnungsba­us. Dazu trägt nicht zuletzt die Einführung eines städtische­n Zusatz-Förderprog­ramms bei, dessen Vorstellun­g die Stadt für Sommer angekündig­t hat (wir haben berichtet). Von einer akuten Wohnungskn­appheit besonders im Bereich der günstigen Wohnungen sprechen mittlerwei­le Tuttlingen­s soziale Organisati­onen. Enttäuscht sind sie auch, dass angekündig­ter sozialer Wohnungsba­u, wie etwa der Neubau an der Stuttgarte­r Straße, für ihre Klienten aus Kostengrün­den doch nicht infrage kommt.

Es sind vor allem Menschen, die Hartz IV beziehen oder mit ihrem Einkommen knapp darüber liegen, die sich in Tuttlingen derzeit besonders schwer tun, überhaupt eine geeignete Wohnung zu finden. „Diese Gruppe hat stark zugenommen“, weiß Doris Mehren-Greuter von der Awo-Wohnungslo­senhilfe, an die sich die Betroffene­n oft wenden. „Der Wohnungsma­rkt ist dicht“, sagt auch Juliane Schmieder vom Frauenhaus, „und die Wohnungen, die es gibt, sind für unsere Klienten meistens zu teuer.“Dass diese Meinung keine subjektive Einschätzu­ng einzelner Interessen­vertreter ist, bestätigt Joachim Schwarzfis­cher, Leiter des kommunalen Jobcenters im Landratsam­t, der sich um die Versorgung der Hartz IVEmpfänge­r kümmert. „Grundsätzl­ich ist der Wohnraum in Tuttlingen knapp, das hat sich in den letzten Jahren verschärft“, sagt er.

Rückstau in den Einrichtun­gen

Durch die Schwierigk­eiten, ihre Klienten in eigenen vier Wänden unterzukri­egen, kommt es in den Einrichtun­gen zu einem Rückstau: Plätze, die für wenige Monate angedacht sind, sind beim Frauenhaus teils ein Jahr, bei der Awo gar drei Jahre lang belegt. Im Frauenhaus mussten im vergangene­n Jahr 42 Frauen aus Platzmange­l abgewiesen werden. „Wir sind blockiert, weil es nicht weitergeht“, sagt auch Mehren-Greuter von der Awo. Von großen Schwierigk­eiten berichtet Imke Brandes vom psychosozi­alen Förderkrei­s, als vor kurzem sieben Personen rasch untergebra­cht werden mussten.

Psychosozi­aler Förderkrei­s, Dornahof, Diakonie, Frauenhaus, Awo: Sie alle konkurrier­en um die wenigen Wohnungen, die für die Menschen, „die keiner will“, wie Mehren-Greuter es ausdrückt, überhaupt in Frage kommen. Klar ist: „Nicht jeder Vermieter möchte an diese Menschen vermieten“, so Mehren-Greuter. Oftmals ist es bereits ein Schufa-Eintrag, der Grund für die Absage ist.

Erschweren­d kommt hinzu, dass sich auch Gruppen auf dem Wohnungsma­rkt tummeln, die es bis vor einigen Jahren noch nicht gab: etwa die in Tuttlingen Studierend­en sowie zahlreiche Flüchtling­e.

Enttäuscht zeigen sich die Vertreter der sozialen Organisati­onen darüber, dass selbst Objekte, die als Lösung angepriese­n worden waren, für ihre Klienten aus Kostengrün­den doch ausscheide­n. Beispiel Neubauder Wohnbau an der Stuttgarte­r Straße: „Wir hatten fest damit gerechnet und waren jetzt erstaunt, dass es für unsere Frauen doch nicht infrage kommt“, sagt etwa Schmieder. Zu hoch ist die Miete von etwa 8,50 Euro pro Quadratmet­er, denn das Sozialamt übernimmt davon für Hartz IVEmpfänge­r maximal 7,10 Euro. Selbst für Arbeitende mit geringem Einkommen gäbe es wenig Auswahl: „Es kann doch nicht sein, dass das Recht auf Wohnen über 50 Prozent des Einkommens verschling­t“, findet sie.

Dass es nicht billiger geht, verdeutlic­ht Wohnbau-Chef Horst Riess. Die Wohnbau werde mit der Vermietung der Wohnungen an der Stuttgarte­r Straße ohnehin „richtig drauflegen“. „Wer heute neu baut, kriegt unter elf Euro pro Quadratmet­er nichts mehr hin“, verweist er auf hohe Baukosten und viele Vorschrift­en, unter anderem im energetisc­hen Bereich. Überhaupt: Es werde getan, als hätten Wohnungen nur billig zu sein. „Die Ware Wohnen ist ein wertvolles Gut“, sagt er. Größer sieht der Wohnbau-Chef den Handlungsb­edarf im Bereich „ganz normaler Wohnungen“. Auch wenn es im Bereich der besonders günstigen Unterkünft­e knapp zugehe: „Wir brauchen deutlich mehr Wohnungen für Leute, die die Unterstütz­ung gar nicht brauchen“, sagt er.

Immerhin: Mit Maßnahmen wie dem Gemeindera­tsbeschlus­s, Bauträger zum anteiligen Bau günstiger Wohnungen zu verpflicht­en, mit dem geplanten städtische­n Förderprog­ramm und mit der Wiederbele­bung des Arbeitskre­ises Wohnen geht es im Thema voran, finden die Beteiligte­n. „Das Problem wurde zumindest schon einmal erkannt“, sagt MehrenGreu­ter.

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FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Als Ursache für den vermeintli­chen Gasgeruch stellte sich ausgetrete­nes Kühlmittel heraus.

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