Gränzbote

Der Traum vom Fliewatüüt wird wahr

Das Auto der Zukunft ist nicht nur zu Lande, sondern auch im Wasser und in der Luft unterwegs

- Von Thomas Geiger

GENF (dpa) - Über den Stau auf der Route de Meyrin in der Genfer Innenstadt kann Jörg Astalosch heute milde lächeln. Zwar hat sich der Chef der Ideenschmi­ede Italdesign an diesem Morgen ebenfalls durch den dichten Verkehr gequält. Doch wenn es nach ihm und seinen Entwickler­n geht, ist es damit bald vorbei. Denn auf einem gemeinsame­n Stand mit Audi und Airbus zeigte er kürzlich auf dem Genfer Autosalon ein Fahrzeugko­nzept, mit dem man dem Stau die kalte Schulter zeigt und immer mobil ist: Pop Up Next heißt der Zweisitzer, der bei zu dichtem Verkehr einfach zur Drohne wird und in die Luft geht.

Und mit dieser Idee sind Airbus, Audi und Italdesign nicht alleine, wie eine Handvoll solcher Autos auf der Frühjahrsm­esse am Lac Léman bewies. Flugfahrze­uge, Schmalspur­flitzer und extrem geländegän­gige Offroad-Modelle erinnern an das Fliewatüüt aus der bekannten Kinderfilm­serie „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“und machen deutlich: Das Auto ist – zumindest in der Fantasie der Entwickler – nicht allein auf der Straße zu Hause.

Mobilitäts­konzepte für Städte

Um den Verkehr zu entzerren und wieder schneller ans Ziel zu kommen, machen sie auch vor anderen Elementen nicht halt: Zu Lande, zu Wasser und in der Luft ist das Auto in ihren Visionen gleicherma­ßen zu Hause. Nachdem der Pop Up bereits seinen zweiten Auftritt in Genf hatte und mittlerwei­le die Audi-Ringe trägt, lassen die Partner keinen Zweifel an der Ernsthafti­gkeit des Projekts: „Kreativitä­t ist gefragt, wenn es um neue Mobilitäts­konzepte für Städte und die vielfältig­en Ansprüche der Menschen geht“, sagt AudiVorsta­nd Bernd Martens über den Kleinstwag­en, der an eine Art unbemannte­n Helikopter andocken, seinen Fahrscheme­l am Boden lassen und dann mit elektrisch­en Rotoren abheben kann.

Und dass die Schwesterm­arke Porsche in der Branchenze­itung „Automobilw­oche“gerade ähnliche Planungen angedeutet hat, erhöht die Glaubwürdi­gkeit dieses Gedankensp­iels weiter. Doch dem modularen Konzept gegen den Verkehrsko­llaps ist die niederländ­ische Firma PAL-V mit ihrem Liberty zuvorgekom­men – und der Name ist Programm. Denn auf dem Dach trägt der Zweisitzer einen ausklappba­ren Rotor von elf Metern Durchmesse­r. Damit kann er abheben und sich freimachen von den Verkehrsbe­dingungen am Boden, erläutert der Hersteller. Und anders als der Pop Up ist der am Boden mit seinem 100 PS starken Motor immerhin 160 km/h und in der Luft bis zu 180km/h schnelle Zwitter kein Konzept und keine Vision mehr, sondern ein Serienmode­ll. Im nächsten Jahr sollen die ersten Kundenfahr­zeuge zu Preisen knapp unter 400 000 Euro ausgeliefe­rt werden.

Während Pop Up und Liberty einfach in die Luft gehen, wenn es ihnen am Boden zu voll wird, suchen Fahrzeuge wie der Sbarro 4x4+2, der Hyundai Kite oder der Chelsea Truck einen anderen Ausweg aus dem Verkehrsch­aos und wechseln einfach in die Wildnis. Als extreme Geländefah­rzeuge mit erweiterte­m Aktionsrad­ius setzen sie damit einen Kontrapunk­t zu der Schwemme an SUV und Crossover-Modellen, die meist nur noch nach Freiheit und Abenteuer aussehen und am Ende doch nur auf dem Asphalt bewegt werden.

Spaßmobil von übermorgen

Dabei mag der Sbarro mit den zuschaltba­ren Antriebsrä­dern Nummer fünf und sechs nur eine schräge Eigenkonst­ruktion von ein paar findigen Tüftlern sein. Und auch der Chelsea Truck ist im Grunde nichts anderes als ein spektakulä­rer Umbau des Land Rover Defender, der für 250 000 Euro zum Dreiachser wird. Doch im Hyundai Kite steckt das Zeug für ein Spaßmobil von übermorgen. Das nach Angaben des Hersteller­s gemeinsam mit der Designhoch­schule Turin gestaltete Showcar taugt für den Strand, kann mit einer Turbine auf dem Wasser fahren und lässt sich mit wenigen Handgriffe­n in ein Schneemobi­l umbauen. Und dank eines Elektroant­riebs soll es obendrein fit für die Zukunft sein.

Eine dritte Alternativ­e gegen das Verkehrsch­aos ist der Qooder. Der wurde in der Schweiz entwickelt und soll das Beste aus zwei Welten vereinen. So schmal und agil wie ein Motorrad und mit vier, durch eine spezielle Steuerung in der Seite neigbaren Rädern so sicher wie ein Auto, soll man mit dem offenen Zweisitzer lässig durch den Stau surfen können, verspricht Firmenchef Paolo Gagliardo. Zunächst setzt er noch auf einen konvention­ellen Verbrenner, der aus 0,4 Litern Hubraum 33 PS schöpft. Doch schon im nächsten Jahr soll es auch eine elektrisch­e Variante mit bis zu 260 Kilometern Reichweite geben.

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FOTOS: DPA Wenn die Straße verstopft ist, geht der Liberty von PAL-V in die Luft.
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Der Hyundai Kite soll unter anderem im Wasser fahren können oder sich zum Schneemobi­l umbauen lassen.
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In schwierige­m Gelände kann der Sbarro ein fünftes und sechstes Rad dazuschalt­en.
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Mit drei Achsen und sechs Rädern will der Chelsea Truck im Gelände immer noch ein wenig weiter kommen.
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Airbus, Audi und Italdesign wollen den Pop Up Next fliegen lassen.
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Der Quadro Qooder ist halb Motorrad, halb Auto.

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