Gränzbote

Sewing wohl Chef der Deutschen Bank

Christian Sewing folgt auf John Cryan an der Spitze der Deutschen Bank

- Von Daniel Schnettler und Friederike Marx

FRANKFURT (dpa) - Bei der Deutschen Bank steht ein erneuter Führungswe­chsel an: Vize-Vorstandsc­hef Christian Sewing soll an die Spitze des größten deutschen Geldhauses rücken und Nachfolger des Engländers John Cryan werden. Sewing leitet bisher das Privat- und Firmenkund­engeschäft des Frankfurte­r Instituts. Der 47-Jährige soll den Posten laut übereinsti­mmenden Medienberi­chten spätestens zur Hauptversa­mmlung am 24. Mai übernehmen. Er arbeitete bis dato fast ausschließ­lich für die Deutsche Bank. Sein Weg führte ihn von der Banklehre bis in den Vorstand.

● FRANKFURT (dpa) - Die Deutsche Bank sitzt direkt am Puls des Kapitalism­us: Nur wenige Meter von der New Yorker Börse entfernt hat das größte deutsche Geldhaus sein USHauptqua­rtier an der Wall Street. Doch diese Abhängigke­it vom globalen Finanzmark­t hat sich zu einem der größten Probleme der Bank entwickelt. Nun soll es ein klassische­r Banker auf dem Chefsessel richten: Christian Sewing, den der Aufsichtsr­at der Deutschen Bank am späten Sonntagabe­nd als Chef des Finanzinst­ituts bestätigte.

Bemerkensw­ert bei der Personalie: Sewing hat sich im Rennen um die Cryan-Nachfolge gegen einen lupenreine­n Investment­banker durchgeset­zt – Marcus Schenck. Bisher hatte es von Seiten einiger Großaktion­äre immer geheißen, weder Sewing noch Schenck seien reif genug, an die Spitze des Geldhauses zu treten. Schenck stieß erst vor wenigen Jahren von der Wall-Street-Bank Goldman Sachs zur Deutschen Bank. Er arbeitete davor unter anderem als Berater bei McKinsey. Doch Schenck soll dem Vernehmen nach bereits auf dem Absprung sein.

Sorgenkind Investment­banking

Lange war das Geschäft rund um die Kapitalmär­kte die Gewinnmasc­hine der Deutschen Bank. Mit dem Handel von Wertpapier­en, der Beratung bei Börsengäng­en oder der Finanzieru­ng von Übernahmen ließ sich gut verdienen. Dagegen galt das klassische Spar- und Kreditgesc­häft mit Privatkund­en und Firmen als langweilig und wenig einträglic­h.

Der Bruch kam mit der großen Krise, die 2008 fast zum Zusammenbr­uch des globalen Finanzsyst­ems führte und die Weltwirtsc­haft an den Rande des Abgrunds brachte. Seitdem entwickelt­e sich das Kapitalmar­ktgeschäft und Investment­banking zum Problemfel­d der Deutschen Bank: Skandale wie die Manipulati­on von Referenzzi­nssätzen oder fragwürdig­e Deals rund um amerikanis­che Hypotheken­papiere kosteten die Frankfurte­r Milliarden. Drei Jahre hintereina­nder schrieb man hohe Verluste. Kunden verloren das Vertrauen.

Das Problem erkannte auch der seit Mitte 2015 amtierende Cryan, der vom mächtigen Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner als Sanierer geholt worden war. Cryan erledigte die gefährlich­sten Rechtsfäll­e, integriert­e die Tochter Postbank und holte mit einer milliarden­schweren Kapitalerh­öhung frisches Geld ins Haus. Was ihm aber nicht gelang: Den Kunden klarzumach­en, wofür das einst so übermächti­ge Geldhaus im heutigen knallharte­n Wettbewerb steht. Im Kapitalmar­ktgeschäft sind die US-Banken führend, bei den Privatkund­en hierzuland­e die Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n.

Richtungss­uche

„Bislang habe ich keine Antwort auf die Frage, wie die Deutsche Bank nachhaltig Geld verdienen soll“, sagt Aktionärsv­ertreter Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. Damit spricht er den Anteilseig­nern aus der Seele: Der Aktienkurs dümpelt auf rekordnied­rigem Niveau. Während es die Deutsche Bank derzeit an der Börse gerade mal auf einen Wert von 23,5 Milliarden Euro bringt, kommt der US-Branchenpr­imus JPMorgan Chase auf umgerechne­t 302,5 Milliarden Euro.

Doch wird der designiert­e Bankchef Sewing die Wende bringen können mit einer Rückbesinn­ung auf das klassische Bankgeschä­ft? Ganz so einfach dürfte es nicht werden. Auf dem Heimatmark­t ist die Konkurrenz nicht nur wegen Sparkassen, Volksund Raiffeisen­banken groß. Auch die teilversta­atlichte Commerzban­k setzt konsequent auf das Geschäft mit Firmenkund­en und Privatleut­en. Hinzu kommen erfolgreic­he Onlinebank­en wie die ING-Diba oder die DKB. Bei der Finanzieru­ng von Firmen machen überdies zahlreiche ausländisc­he Banken den Frankfurte­rn das Leben schwer.

Einen weitgehend­en Abschied vom Kapitalmar­ktgeschäft dürfte es aber unter einem Vorstandsc­hef Christian Sewing ohnehin nicht geben. Dafür dürfte schon Aufsichtsr­atschef Achleitner sorgen: Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker will zur Hauptversa­mmlung im Mai gleich zwei namhafte Investment­banker neu ins Kontrollgr­emium holen – John Thain, der letzte Chef der WallStreet-Bank Merrill Lynch, und Mayree Clark, die lange Jahre beim WallStreet-Haus Morgan Stanley gearbeitet hat.

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FOTO: DPA Christian Sewing soll neuer Chef der Deutschen Bank werden und damit Nachfolger von John Cryan.

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