Sewing wohl Chef der Deutschen Bank
Christian Sewing folgt auf John Cryan an der Spitze der Deutschen Bank
FRANKFURT (dpa) - Bei der Deutschen Bank steht ein erneuter Führungswechsel an: Vize-Vorstandschef Christian Sewing soll an die Spitze des größten deutschen Geldhauses rücken und Nachfolger des Engländers John Cryan werden. Sewing leitet bisher das Privat- und Firmenkundengeschäft des Frankfurter Instituts. Der 47-Jährige soll den Posten laut übereinstimmenden Medienberichten spätestens zur Hauptversammlung am 24. Mai übernehmen. Er arbeitete bis dato fast ausschließlich für die Deutsche Bank. Sein Weg führte ihn von der Banklehre bis in den Vorstand.
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● FRANKFURT (dpa) - Die Deutsche Bank sitzt direkt am Puls des Kapitalismus: Nur wenige Meter von der New Yorker Börse entfernt hat das größte deutsche Geldhaus sein USHauptquartier an der Wall Street. Doch diese Abhängigkeit vom globalen Finanzmarkt hat sich zu einem der größten Probleme der Bank entwickelt. Nun soll es ein klassischer Banker auf dem Chefsessel richten: Christian Sewing, den der Aufsichtsrat der Deutschen Bank am späten Sonntagabend als Chef des Finanzinstituts bestätigte.
Bemerkenswert bei der Personalie: Sewing hat sich im Rennen um die Cryan-Nachfolge gegen einen lupenreinen Investmentbanker durchgesetzt – Marcus Schenck. Bisher hatte es von Seiten einiger Großaktionäre immer geheißen, weder Sewing noch Schenck seien reif genug, an die Spitze des Geldhauses zu treten. Schenck stieß erst vor wenigen Jahren von der Wall-Street-Bank Goldman Sachs zur Deutschen Bank. Er arbeitete davor unter anderem als Berater bei McKinsey. Doch Schenck soll dem Vernehmen nach bereits auf dem Absprung sein.
Sorgenkind Investmentbanking
Lange war das Geschäft rund um die Kapitalmärkte die Gewinnmaschine der Deutschen Bank. Mit dem Handel von Wertpapieren, der Beratung bei Börsengängen oder der Finanzierung von Übernahmen ließ sich gut verdienen. Dagegen galt das klassische Spar- und Kreditgeschäft mit Privatkunden und Firmen als langweilig und wenig einträglich.
Der Bruch kam mit der großen Krise, die 2008 fast zum Zusammenbruch des globalen Finanzsystems führte und die Weltwirtschaft an den Rande des Abgrunds brachte. Seitdem entwickelte sich das Kapitalmarktgeschäft und Investmentbanking zum Problemfeld der Deutschen Bank: Skandale wie die Manipulation von Referenzzinssätzen oder fragwürdige Deals rund um amerikanische Hypothekenpapiere kosteten die Frankfurter Milliarden. Drei Jahre hintereinander schrieb man hohe Verluste. Kunden verloren das Vertrauen.
Das Problem erkannte auch der seit Mitte 2015 amtierende Cryan, der vom mächtigen Aufsichtsratschef Paul Achleitner als Sanierer geholt worden war. Cryan erledigte die gefährlichsten Rechtsfälle, integrierte die Tochter Postbank und holte mit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung frisches Geld ins Haus. Was ihm aber nicht gelang: Den Kunden klarzumachen, wofür das einst so übermächtige Geldhaus im heutigen knallharten Wettbewerb steht. Im Kapitalmarktgeschäft sind die US-Banken führend, bei den Privatkunden hierzulande die Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Richtungssuche
„Bislang habe ich keine Antwort auf die Frage, wie die Deutsche Bank nachhaltig Geld verdienen soll“, sagt Aktionärsvertreter Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Damit spricht er den Anteilseignern aus der Seele: Der Aktienkurs dümpelt auf rekordniedrigem Niveau. Während es die Deutsche Bank derzeit an der Börse gerade mal auf einen Wert von 23,5 Milliarden Euro bringt, kommt der US-Branchenprimus JPMorgan Chase auf umgerechnet 302,5 Milliarden Euro.
Doch wird der designierte Bankchef Sewing die Wende bringen können mit einer Rückbesinnung auf das klassische Bankgeschäft? Ganz so einfach dürfte es nicht werden. Auf dem Heimatmarkt ist die Konkurrenz nicht nur wegen Sparkassen, Volksund Raiffeisenbanken groß. Auch die teilverstaatlichte Commerzbank setzt konsequent auf das Geschäft mit Firmenkunden und Privatleuten. Hinzu kommen erfolgreiche Onlinebanken wie die ING-Diba oder die DKB. Bei der Finanzierung von Firmen machen überdies zahlreiche ausländische Banken den Frankfurtern das Leben schwer.
Einen weitgehenden Abschied vom Kapitalmarktgeschäft dürfte es aber unter einem Vorstandschef Christian Sewing ohnehin nicht geben. Dafür dürfte schon Aufsichtsratschef Achleitner sorgen: Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker will zur Hauptversammlung im Mai gleich zwei namhafte Investmentbanker neu ins Kontrollgremium holen – John Thain, der letzte Chef der WallStreet-Bank Merrill Lynch, und Mayree Clark, die lange Jahre beim WallStreet-Haus Morgan Stanley gearbeitet hat.