Unauffällig
Olivier wer? lautet die Frage, wenn vom neuen Chef der französischen Sozialisten die Rede ist. Den Namen des Mannes, der nach erfolgreicher Urwahl am Wochenende den Vorsitz des Parti Socialiste übernommen hat, kennen die wenigsten. Olivier Faure ist keiner, der Schlagzeilen macht. Unauffällig führte der 49-Jährige in den vergangenen Monaten die sozialistische Fraktion in der Nationalversammlung. Es war das Amt eines Konkursverwalters, das der Jurist übernahm, nachdem seine Partei bei den Wahlen im vergangenen Jahr eine historische Niederlage erlitten hatte. Von mehr als 200 auf 31 schrumpfte die Zahl der Abgeordneten.
Der Sohn eines französischen Steuerbeamten und einer vietnamesischen Krankenschwester macht gegen den Präsidenten bisher nur leise Opposition. „Herr Macron schaut nur auf die Sieger“, sagte der Abgeordnete, als der Staatschef im Herbst die Arbeitslosen kritisierte, „die einen Saustall anrichten“. Überhaupt ist Faure kein Mann lauter Töne. „Lieber erklären als vor den Kopf stoßen“, ist seine Devise. Auch als Parteichef dürfte er sich vom raubeinigen Vorgänger Jean-Christophe Cambadélis unterscheiden.
„Er ist der Typ, der die Teams im Dienste der anderen anleitet und sich nie als Bandenführer gesehen hat“, beschreibt die Zeitung „Libération“den trocken und uncharismatisch wirkenden Faure, der praktisch seine ganze Karriere in der Partei oder in Ministerbüros verbrachte. Schon mit 16 wurde er Mitglied des PS, bevor er zum Studium nach Paris ging. Dort lebte er in einer WG mit Benoît Hamon, der später als Präsidentschaftskandidat der Sozialisten nur sechs Prozent der Stimmen holte. Inzwischen hat der Parteilinke seine eigene Bewegung gegründet, die sich dem Linksaußen Jean-Luc Mélenchon und den Kommunisten annähert.
Ein solches Linksbündnis mag Faure, der die sozialdemokratische Linie vertritt, nicht mitmachen. „Er wird mit vernünftiger Stimme sprechen, als linker Reformer, aber in Opposition zu Macron“, sagt sein Vorgänger Cambadélis in der Zeitung „Le Parisien“voraus. Die Frage ist, ob Faure damit auch gehört wird. Christine Longin