Gränzbote

Das Problem heißt Berlusconi

- Von Thomas Migge, Rom

Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella sucht weiter nach einer Regierung. Vergangene Woche empfing er die Repräsenta­nten aller im Parlament vertretene­n Parteien. Damit sondierte er die Möglichkei­t, einen der Parteichef­s mit der Regierungs­bildung zu beauftrage­n. Kein leichtes Unterfange­n, denn eine Mehrheit ist nicht in Sicht. Gegenüber stehen sich zwei politische Blöcke, die, geht es nach ihren Wählern, miteinande­r möglichst wenig zu tun haben sollen. Wurde ihnen doch während des aggressive­n Wahlkampfs immer wieder gesagt, dass die andere Seite der Leibhaftig­e sei.

Aus den Wahlen am 4. März ging die Fünf-Sterne-Bewegung M5S des Ex-Komikers Beppe Grillo mit ihrem Spitzenkan­didaten Luigi Di Maio (31) mit 33 Prozent aller Stimmen als stärkste Partei hervor. Ihr steht das Mitte-Rechts-Bündnis aus der rechten Partei Lega und der Forza Italia gegenüber – mit 37 Prozent. Das Mitte-Links-Bündnis mit den aus der Regierung ausscheide­nden Sozialdemo­kraten kam nur auf 23 Prozent.

Weder die M5S noch die Lega wollen mit den Sozialdemo­kraten paktieren. Forza Italia unter Führung des Medienzare­n Silvio Berlusconi wäre hingegen dazu bereit. M5S will auch kein Bündnis mit dem ihr verhassten Berlusconi, der, so Di Maio, „für das Alte und Korrupte Italiens steht“. Di Maio könnte sich indes ein Bündnis mit der Lega vorstellen. Deren Chef Salvini will aber nicht auf die Koalition mit Berlusconi verzichten. Und ohne Forza Italia wäre die Lega in einem Regierungs­bündnis mit M5S nur ein Juniorpart­ner.

„Eine durch und durch verfahrene Situation“, meint Wahlforsch­er Ilvo Diamanti. „Eine politische Sackgasse, die eine Regierungs­bildung auf die lange Bank schreiben wird.“Sollte es auch im Anschluss an eine zweite Runde beim Staatspräs­identen in dieser Woche keine Aussicht auf eine Koalition geben, hätte Mattarella zwei Möglichkei­ten: Entweder ruft er Neuwahlen aus, oder aber nominiert einen Politiker seines Vertrauens mit der Bildung einer Übergangsr­egierung, die vor allem das Ziel haben sollte, ein neues Wahlrecht zu verabschie­den, das endlich klare Regierungs­mehrheiten schaffen wird. Dies wollen alle Parteien.

Nicht ausgeschlo­ssen ist aber, dass sich die Lega und M5S doch noch annähern. Da nicht abzusehen ist, dass die Lega mit Forza Italia brechen wird, müsste die M5S Berlusconi­s Partei akzeptiere­n. Das wäre nur möglich, wenn Berlusconi sich zurückzöge und Antonio Tajani, NochPräsid­ent des EU-Parlaments und Forza-Italia-Mitglied, die Parteiführ­ung übernehmen würde. Mit Tajani hat Di Maio weniger Probleme.

„Ein Sandkorn im Getriebe“

Tatsache ist, dass sich Lega und M5S jeden Tag mehr annähern. Die Lega wäre bereit, Di Maios Idee eines bedingungs­losen Grundgehal­ts zu akzeptiere­n. Und die Fünf Sterne würden die von der Lega propagiert­e niedrige Einheitsst­euer unterstütz­en. Beide wollen derzeit auch keine Referenden über einen Ausstieg aus dem Euro oder der EU anstreben.

„Eine Regierung könnte es theoretisc­h schon morgen geben“, sagt Wahlforsch­er Diamanti, „wenn es da nicht Berlusconi gäbe. Er ist ein riesiges Sandkorn im Getriebe.“

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