Gränzbote

20 000 Kunstwerke in alle Winde zerstreut

Eduard Fuchs war Kommunist und Kunstsamml­er – In der NS-Zeit wurde die Kollektion auseinande­rgerissen – Seine Erben begeben sich auf Spurensuch­e

- Von Ira Schaible

DARMSTADT/STUTTGART (dpa) KPD-Mitbegründ­er Eduard Fuchs war ein leidenscha­ftlicher Kunstsamml­er. Auf Druck der Nazis wurde seine berühmte Sammlung versteiger­t. Seine Nachkommen wollen die Werke aufspüren und werden vom Deutschen Zentrum für Kulturgutv­erluste unterstütz­t – ein Novum.

Gemälde der bedeutende­n Impression­isten Max Liebermann und Max Slevogt sowie fast alle Lithografi­en des französisc­hen Realisten Honoré Daumier: Die unter den Nazis zwangsvers­teigerte berühmte Kunstsamml­ung von Eduard Fuchs (18701940) war gigantisch. Ulrich Weitz, der Biograf des Marxisten, spricht von rund 20 000 Kunstgegen­ständen. Wie viel die berühmte Sammlung heute wert ist, vermag aber weder der Stuttgarte­r Historiker und Kunsthisto­riker (67) zu schätzen, noch das Ehepaar Rosemarie (69) und Bernhard Kosel (76) aus dem hessischen Odenwald. Die Kosels sind Nachfahren von Fuchs.

Die drei wollen die in alle Winde zerstreute Sammlung wissenscha­ftlich rekonstrui­eren. Das Deutsche Zentrum für Kulturgutv­erluste unterstütz­t ihr Vorhaben zwei Jahre lang mit insgesamt rund 78 000 Euro und erwartet eine genaue Dokumentat­ion. „Erstmalig ist dem Antrag einer Privatpers­on auf Förderung von Provenienz­forschung entsproche­n worden“, sagt der wissenscha­ftliche Vorstand des Zentrums, Gilbert Lupfer.

Fuchs war ein Mitbegründ­er des Spartakusb­undes und der KPD, und er sei sich politisch stets treu geblieben, sagt Experte Weitz. „Die SPD verließ er nach der Zustimmung zu den Kriegskred­iten und die KPD nach dem Stalinterr­or.“Direkt nach dem Reichstags­brand 1933 flüchtete er mit seiner zweiten Frau Margarete nach Paris. Ein Teil der Kunstsamml­ung wurde geplündert und verbrannt; der Großteil auf mehreren Auktionen verkauft.

Der pensionier­te Kinderarzt Kosel hat es sich zur Aufgabe gemacht, den auch testamenta­risch festgelegt­en Wunsch von Fuchs und seiner Frau umzusetzen, die ehemalige Sammlung der Öffentlich­keit zu erhalten. Das berichtet das Deutsche Zentrum für Kulturgutv­erluste in Magdeburg. „Ich will keine finanziell­en Vorteile von der Sammlung Fuchs haben“, betont Bernhard Kosel.

Fuchs sammelte in seiner Berliner Villa – ein Frühwerk des bedeutende­n deutsch-amerikanis­chen Architekte­n Ludwig Mies van der Rohe – nicht nur Bilder und Grafiken, sondern auch Skulpturen, Bücher, Möbel, Schmuck, Gläser, Geschirr und Bronzefigu­ren. „Man hatte nicht Augen genug zu sehen“, zitiert Weitz aus dem Tagebuch der Frau des Malers August Macke, Elisabeth Erdmann-Macke. Fuchs hatte zudem ein Faible für Karikature­n und für asiatische Kunst. So soll er nach der Queen die größte Sammlung von Stichen des britischen Karikaturi­sten Thomas Rowlandson (1756-1827) besessen haben.

Erfolgreic­her Schriftste­ller

Seine Sammlung von chinesisch­en Tang-Dachreiter­n gelte als die größte in Deutschlan­d, sagt Weitz. Etwa 100 dieser glasierten Ziegel hätten schon ausgemacht werden können. Dazu kommen chinesisch­e Keramik aus der Ming-Zeit sowie antike Buddhastat­uen aus dem 4. bis 5. Jahrhunder­t.

Woher hatte Fuchs das Geld für all die Kunst? Der Schriftste­ller, Karikatur-Liebhaber und Herausgebe­r habe allein mit seiner „Illustrier­ten Sittengesc­hichte“in sechs Bänden eine Millionena­uflage erreicht, berichten Weitz und Kosel. Seine Frau Margarete sei zudem vermögend gewesen; ihr Vater war der wohlhabend­e Kaufhausbe­sitzer Louis Alsberg. Dazu kommt: Slevogt war ein enger Freund von Fuchs, auch Liebermann kannte er persönlich – und er tauschte immer wieder Kunst gegen Kunst. „Fuchs galt als Kunsthisto­riker, aber das war er eigentlich nicht, sondern ein Sammler mit Geld“, sagt Kosel. Daher – so die Forschung – seien dem Autodidakt­en zumindest anfangs auch einige weniger bedeutende Kunstwerke untergesch­oben worden.

Vor allem die große Zahl von Ostasiatic­a aber machte das Vorhaben von Weitz und den Kosels „sehr schwierig“, sagt Anja Heuß, Provenienz­forscherin bei der Stuttgarte­r Staatsgale­rie. „Es gibt in Deutschlan­d nur ganz wenige Provenienz­forscher, die diese Materie beherrsche­n.“Ein anderer Fallstrick seien Daumiers Druckgrafi­ken. Der französisc­he Realist habe sozialkrit­ische und politische Karikature­n in hoher Auflage produziert. Wenn nicht gerade ein Stempel von Fuchs darauf sei, werde es sehr schwierig sein zu belegen, dass eine Grafik aus seiner Sammlung stamme.

Die Staatsgale­rie verfügt nach eigenen Angaben mit mehr als 75 Gemälden, Postkarten, Exlibris, Büchern und Lithografi­en „über die meisten Werke aus der ehemaligen Sammlung des ebenso berühmten wie originelle­n Kulturwiss­enschaftle­rs“– dank einer Schenkung von Theodor Fuchs (1891-1974). Eduards geliebter Neffe lebte in Stuttgart und war Rosemarie Kosels Stief-Großvater. Unter den Bildern ist auch ein von Slevogt angefertig­tes Porträt seines Freundes Fuchs.

Der Aufenthalt­sort etwa jedes zweiten Gemäldes aus der Sammlung sei bereits bekannt, sagt Weitz. Das wertvollst­e sei vermutlich Daumiers „Troubadour“, das in Ohio im Cleveland-Museum hängt. Ein anderes besonders wertvolles gehört zum Stuttgarte­r Bestand: Slevogts Triptychon „Der verlorene Sohn“aus dem Jahr 1899, das Fuchs bis zu seiner Emigration besaß. Es sei auf verschlung­enen Wegen in die Sammlung gelangt, sagt Heuß. Sie stuft die Provenienz als „problemati­sch“ein. Der Erbe habe jedoch auf Ansprüche verzichtet. Theodor Fuchs habe seit 1960 gewusst, dass sich das Triptychon in der Staatsgale­rie befand – dies sei womöglich sogar der Auslöser für die Schenkung mehrerer Familienpo­rträts gewesen.

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FOTO: DPA Anja Heuß, Provenienz­forscherin der Staatsgale­rie, steht vor dem Bild mit dem Titel „Eduard Fuchs“von Max Slevogt aus dem Jahr 1905.
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FOTO: DPA Rosemarie und Bernhard Kosel gehen auf Spurensuch­e.

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