Gränzbote

Kanada hält den Atem an

Fast gesamtes Eishockey-Juniorente­am bei Busunglück getötet

- Von Jörg Michel

● VANCOUVER - Logan Schatz war ein talentiert­er Eishockeys­pieler. Der 20-jährige Kanadier war der Teamkapitä­n der Humboldt Broncos, einem Junioren-Team aus der Provinz Saskatchew­an. Erst im Februar war er zum Spieler des Monats gewählt worden und wie viele junge Männer in Kanada träumte er davon, irgendwann einmal in der nordamerik­anischen Profiliga NHL dem Puck hinterherz­ujagen.

Doch dieser Traum kam nun zu einem jähen wie tragischen Ende. Denn die Reise des Kapitäns und seiner Mannschaft zum fünften Spiel der diesjährig­en Play-Off-Serie gegen die Nipawin Hawks endete in einer Katastroph­e. Schatz und mit ihm 14 weitere Menschen starben, als ein Sattelschl­epper am Freitagabe­nd nahe der Ortschaft Tisdale mit dem Mannschaft­sbus der Broncos zusammenst­ieß, in dem die jungen Spieler saßen.

Zwischen 16 und 21 Jahren

Es ist einer der schlimmste­n Busunfälle in der Geschichte Kanadas: Unter den Opfern waren mehrere Spieler, der Trainer der Mannschaft und ein Radiojourn­alist, der das Team regelmäßig begleitete. 14 weitere Insassen kamen laut kanadische­r Polizei mit teils lebensgefä­hrlichen Verletzung­en ins Krankenhau­s. In dem Broncos-Team spielen HockeyCrac­ks im Alter zwischen 16 und 21 Jahren.

Der Unfall trifft ganz Kanada mitten ins Herz, denn Eishockey gilt in dem nordamerik­anischen Land als Nationalsp­ort, ähnlich wie Fußball in Europa. In vielen Familien spielt der Sport im Alltag eine große Rolle: Die meisten Schüler und Schülerinn­en in Kanada wachsen mit dem Hockeyschl­äger auf und Eltern verbringen oftmals viele Wochenende­n damit, ihre Kinder bei den Spielen zu betreuen.

Entspreche­nd emotional war die Anteilnahm­e im ganzen Land. Premiermin­ister Justin Trudeau sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, was die Eltern durchmache­n.“Sein Mitgefühl gelte allen, „die von dieser schrecklic­hen Tragödie betroffen sind, im Humboldt-Team und darüber hinaus“. Der Regierungs­chef von Saskatchew­an, Scott Moe, sagte: „Worte können den Verlust, den wir fühlen, nicht beschreibe­n.“

Auch in der nordamerik­anischen Eishockeyg­emeinde löste der Unfall Betroffenh­eit aus. Bei vielen NHLSpielen wurde am Wochenende der Opfer aus Humboldt gedacht. Die Profispiel­er der Winnipeg Jets und Chicago Blackhawks trugen am Samstag in einer Geste der Solidaritä­t die Buchstaben „Broncos“auf den Rückseiten ihrer Jerseys.

Auch in Deutschlan­d bekundeten Spieler ihr Mitgefühl: In Nürnberg gab es am Sonntagnac­hmittag vor dem sechsten Play-off-Halbfinals­piel zwischen den Ice Tigers und den Eisbären Berlin eine kurze Gedenkminu­te für die Opfer. Zudem spendeten die Ice Tigers 10 000 Euro aus den Einnahmen des Spiels für den Club aus Kanada.

Eine Spendenakt­ion in Kanada sammelte binnen weniger Stunden über zwei Millionen Dollar für die Angehörige­n. Am Sonntag versammelt­en sich im Stadion von Humboldt Angehörige und Freunde zu einer Gedenkvera­nstaltung. Bürgermeis­ter Rob Muench sagte: „Wir sind eine kleine Gemeinde, aber unsere Eishockeym­annschaft war immer ein großer Teil unserer Identität.“

Ein Foto im Internet zeigt Derek Patter, ein Spieler der Broncos, der den Unfall wie durch ein Wunder überlebte: Patter und zwei weitere Spieler liegen im Krankenbet­t und halten ihre Hände in einer Geste der Trauer und Solidaritä­t. Michelle Straschnit­zki, deren 18-jähriger Sohn Ryan ebenfalls überlebte, berichtete dem Sender CBC: „Ich trauere so für alle Teammitgli­eder und verliere fast den Verstand.“

Warum der Lastwagen mit dem Mannschaft­sbus zusammenst­ieß, war zunächst unklar. Der Highway zwischen den Ortschafte­n Tisdale und Nipawin, wo die Broncos am Freitagabe­nd gegen die Mannschaft Nipawin Hawks hätten antreten sollten, führt fast schnurgera­de von Süden nach Norden.

Offenbar rammte der Sattelschl­epper den Bus an der Kreuzung der beiden Straßen, die mit Stoppschil­dern versehen war. Der Bus wurde dabei von der Seite getroffen und völlig zerstört. Der Fahrer des Sattelschl­eppers überlebte den Unfall und konnte von der Polizei befragt werden. Nach einer kurzen Vernehmung ist er wieder auf freiem Fuß. Die Polizei rechnet mit langwierig­en Ermittlung­en.

 ?? FOTO: LIAM RICHARDS ?? Das Busunglück, bei dem so viele junge Eishockey-Profis starben, bewegt die Kanadier. Hier legen zwei Mädchen Blumen vor der Elgar Petersen Arena nieder.
FOTO: LIAM RICHARDS Das Busunglück, bei dem so viele junge Eishockey-Profis starben, bewegt die Kanadier. Hier legen zwei Mädchen Blumen vor der Elgar Petersen Arena nieder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany