Die Sorge um Michael Goolaerts überschattet Sagans Sieg
Bei Paris-Roubaix stürzt der 23-jährige Belgier schwer – Weltmeisterlicher Auftritt des Bora-hansgrohe-Stars
ROUBAIX (SID/dpa) - Mit dreckverschmiertem Gesicht stemmte Peter Sagan auf der ehrwürdigen Betonpiste von Roubaix seine goldene Rennmaschine in die Höhe und ließ sich nach einem weltmeisterlichen Coup feiern. „Das ist einfach unglaublich, einer meiner größten Siege. Ich bin so glücklich“, sagte der slowakische Radstar nach der Kopfsteinpflaster-Tortur beim 116. Frühjahrsklassiker ParisRoubaix, als er mit einer spektakulären Attacke 54 Kilometer vor dem Ziel die gesamte Konkurrenz düpiert hatte. Sagan, der im Schlusssprint den Schweizer Meister Silvan Dillier bezwang, bescherte damit am Sonntag seiner deutschen Mannschaft Borahansgrohe den größten Erfolg der neunjährigen Teamhistorie.
„Ich war frischer als in den letzten Jahren und ich hatte keinen Crash. Meine Teamkollegen haben riesig gearbeitet. Es lief nach Plan“, ergänzte Sagan, der sich nicht einmal von einem lockeren Lenker hatte aufhalten lassen (er holte sich kurzerhand am Materialwagen einen Schraubenschlüssel und reparierte in voller Fahrt). Es war eine Machtdemonstration des dreimaligen Weltmeisters auf den 257 Kilometern, davon 54,5 über die gefürchteten Pavés. Platz drei belegte in der sogenannten „Hölle des Nordens“der Niederländer Niki Terpstra. Mit der legendären Pflasterstein-Trophäe im Arm verneigte sich der dreimalige Weltmeister Sagan also vor dem Publikum im altehrwürdigen Velodrome von Roubaix. Im Moment des Triumphs, den der 28-Jährige ausgelassen bejubelte, ahnte er nichts vom Sturzdrama um den belgischen Radprofi Michael Goolaerts, der in kritischem Zustand im Krankenhaus von Lille lag.
Herzstillstand auf der Strecke
Nachrichten über den Gesundheitszustand des 23-jährigen Goolaerts ließen bei Rennende noch auf sich warten. Dann sprach die Rennorganisation ASO von einem Herzstillstand, den Goolaerts erlitten haben soll. Der Fahrer aus dem zweitklassigen Team Veranda’s Willems-Crelan war nach einem Sturz auf einer KopfsteinpflasterPassage gut 148 Kilometer vor dem Ziel noch an der Strecke wiederbelebt worden. Mit einem Hubschrauber wurde Goolaerts in eine Klinik geflogen.
Die deutschen Fahrer um den Roubaix-Sieger von 2015, John Degenkolb, und den viermaligen Zeitfahrweltmeister Tony Martin spielten im Finale keine Rolle im Kampf um den Sieg. Martin fuhr stark, hatte aber nach einem unverschuldeten Sturz keine Chance mehr. Auf Rang sieben gelang Klassiker-Talent Nils Politt (Köln) ein beeindruckendes Ergebnis. „Ich bin richtig glücklich, das ist ein Traum“, sagte der 24-Jährige aus dem Team Katusha-Alpecin. Schon bei der Flandern-Rundfahrt war Politt bester Deutscher. Jetzt konnte er es kaum glauben: „Top Ten bei Paris-Roubaix – hätte mir das einer vorher gesagt, ich hätte ihn für bekloppt erklärt.“
Das Finale eröffnete Sagan viel früher als erwartet. Mit einer Attacke auf dem Pavé-Abschnitt Mons-en-Pevele, einer von drei der schwierigsten Kategorie, etwa 50 Kilometer vor dem Ziel überraschte er seine Konkurrenten. Statt wie sonst eher abwartend zu fahren, übernahm der 28-Jährige die Initiative selbst und war nicht mehr zu stellen.
Die deutschen Profis hinterließen lange einen guten Eindruck. Sowohl Degenkolb, der das Rennen auf Platz 17 beendete, wie Martin, der Deutsche Meister Marcus Burghardt (als Helfer Sagans) als auch Politt gestalteten das Rennen mit. Degenkolb aber hatte seine Kräfte für seinen belgischen TrekTeamkollegen Jasper Stuyven (am Ende Fünfter) verbraucht, als es in die Entscheidung ging – und Martin blieb das Pech weiter treu. Er wurde 48 Kilometer vor dem Ziel von einer Kettenreaktion in der Spitzengruppe umgerissen, kollidierte unter anderem mit seinem früheren Teamkollegen Alexander Kristoff und schlug hart auf dem Asphalt auf.
Ärgerlich, schmerzhaft auch, aber: Die Sorge um Michael Goolaerts sollte auch das zur Randnotiz werden lassen.