Müller fehlte die Sensibilität
Wenn Matthias Müller nicht mehr an der Spitze des umsatzstärksten Autoherstellers der Welt steht, kann er mit Leichtigkeit sein möglicherweise angeschlagenes Selbstwertgefühl aufpeppen. Ein Blick in die letzte von ihm verantwortete Bilanz genügt. Denn unter Müllers Führung hat der Volkswagenkonzern 2017 ein Rekordergebnis erzielt. VW verdoppelte seinen Nettogewinn und verbuchte beachtliche 11,4 Milliarden Euro zu seinen Gunsten. Und das alles trotz des Dieselbetrugs, der das Ansehen von „Made in Germany“weltweit nach unten gedrückt hat. Als wäre nie etwas gewesen, rannten die Autofans den Händlern die Verkaufsräume ein – und zwar weltweit.
Aus Sicht eines Topmanagers kann Müller nicht viel falsch gemacht haben. Zum Verhängnis wurde dem früheren Porsche-Boss neben internen Querelen aber auch seine fehlende Sensibilität in der Öffentlichkeit. Von Autos hat der Informatiker jede Menge Ahnung, bei der Außendarstellung bewegte er sich auf Lehrlingsniveau.
Zugegeben: Müller hat bei Volkswagen aufgeräumt. Dass er aber in einer Zeit, in der er dem Weltkonzern einen Kulturwandel verordnete und so zu mehr Bodenständigkeit aufgerufen hatte, seine persönlichen Bezüge von sieben auf über zehn Millionen Euro steigerte, ist nicht nur für jene schwer verständlich, denen Fahrverbote in deutschen Innenstädten drohen. Solch exzessive Managergehälter sind nicht zu vermitteln, wenn fast zeitgleich Berichte über Abgastests mit Affen die Runde machen und Dieselfahrer um den Wert ihrer Fahrzeuge fürchten.
Vielleicht fällt Müller der Abschied sogar leicht. Hinweise gab es jede Menge, dass er Volkswagen schneller verändern wollte, als es die Familieneigner Piëch und Porsche einsahen. Nun soll Herbert Diess übernehmen. Er gilt als ein „robuster Automann“, der Kontroversen nicht aus dem Weg geht. Ihm muss gelingen, was Müller nicht geschafft hat: Das Vertrauen in eine Branche wiederherzustellen, die für den Wohlstand Deutschlands von enorm hoher Bedeutung ist.