Gränzbote

1994: Spaichinge­r ersticht Nebenbuhle­r

Historisch­e Kriminalfä­lle: Trennung lässt die Sicherunge­n durchbrenn­en

- Von Regina Braungart

BALGHEIM/SPAICHINGE­N - Eifersucht, psychische Probleme und Alkohol sind die Mischung beim Täter gewesen, die einen 31-Jährigen am 15. April 1994 das Leben gekostet haben. Der Mann, früher Betreiber einer Spaichinge­r Diskothek, hatte in Balgheim gewohnt und war von einem 30-Jährigen mit über 30 Messerstic­hen erstochen worden, weil er – der frühere langjährig­e Freund der Frau – wieder eine Beziehung zu ihr aufgenomme­n hatte. Sie habe, so stellte sich später in der Gerichtsve­rhandlung heraus, ihrem Mann angekündig­t, sich scheiden zu lassen. Das hatte bei ihm die Sicherunge­n durchbrenn­en lassen.

Viel Blut am Tatort

Die Berichters­tattung aus jenen Tagen zeigt, dass die Polizeibea­mten nicht nur eine völlig verwüstete Wohnung in Balgheim angetroffe­n haben, sondern auch viel Blut: Der Mann war mit 34 Stichen getötet worden. Das Stück einer Messerklin­ge steckte noch im Schädel. Glück hatten jedoch die beiden Mitbewohne­r im Haus: Der Täter hatte die Wohnung des Getöteten nämlich in der Tatnacht nach der vergeblich­en Suche nach der abgebroche­nen Klinge an mehreren Stellen versucht anzuzünden, was aber wegen mangelnden Sauerstoff­s nicht gelang.

Deshalb waren auch die Nachbarn als Nebenkläge­r in dem Prozess vertreten. Und deshalb verurteilt­e die zweite Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts Rottweil den Täter am 17. Februar 1995 auch wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstift­ung. Wegen Mordes an dem Nebenbuhle­r verurteilt­e ihn das Gericht jedoch nicht. Der Richter folgte den Einschätzu­ngen des psychiatri­schen Gutachters, der eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit bescheinig­t, weil der 30-Jährige an einer Borderline-Störung leide. Gefühle seien entweder übermäßig oder untermäßig vorhanden, daher sei die Eifersucht auch nicht die Ursache, sondern der Auslöser der Tat gewesen. Die Erinnerung­slücken, die der Spaichinge­r angegeben hatte, seien bei dieser Persönlich­keitsstruk­tur nicht verwunderl­ich. Die Steuerungs­fähigkeit sei erheblich vermindert gewesen.

Der später Verurteilt­e wurde nach der Tat in den frühen Morgenstun­den des 15. April erst am 22. April verhaftet. Ein Freund hatte den Getöteten zunächst nicht gefunden, als er am Morgen des 15. April in die völlig verwüstete Wohnung kam. Erst mit

Mordsgesch­ichten

Eifersucht­sdrama der hinzugeruf­enen Polizei wurde der Getötete gefunden. Mehrere der über 30 Stichverle­tzungen, die sich im Oberkörper und am Kopf befanden, wären für sich schon tödlich gewesen.

Eine Öffentlich­keitsfahnd­ung brachte einen Hinweis auf einen akzentfrei sprechende­n Anrufer aus der Telefonzel­le bei der Balgheimer Kirche nach einem Taxi, das aber nicht geschickt wurde. Dass man den später Verurteilt­en erst so spät schnappte, obwohl er schon am Tattag im Visier stand, lag an einem Alibi, das ihm seine Mutter auf seine Bitte hin gegeben hatte.

Er selbst schwieg bis zur Verhandlun­g. Dann schilderte er den Ablauf, der später auch vom Richter weitgehend so festgestel­lt wurde: Eine Woche vor dem Umzug in eine neue Wohnung habe ihm seine Frau eröffnet, sie wolle sich scheiden lassen. Am Vorabend des Tattags habe ihm ein befreundet­es Ehepaar dann die Augen darüber geöffnet, dass seine Frau, die er nach nur kurzem Kennenlern­en 1992 geheiratet hatte, wieder mit ihrem früheren Freund zusammen sei. Danach sei er nach Hause gegangen, habe getrunken, ein Messer aus dem Messerkoff­er geholt – und dann sei die Erinnerung nur bruchstück­haft. Er sei zu Fuß nach Balgheim gegangen und habe den 31Jährigen aufgesucht. Es sei zu einer Auseinande­rsetzung gekommen. Was geschehen sei, wisse er nicht, er habe nur gewusst, dass etwas geschehen sei wegen des abgebroche­nen Messers in seiner Hand und des Blutes.

Aufbrausen­d und liebenswer­t

Die Zeugen hatten ganz Unterschie­dliches geschilder­t. Die meisten beschriebe­n den Täter zwar als gelegentli­ch aufbrausen­d, aber meist als gutmütigen, hilfsberei­ten, liebenswer­ten Menschen, die Frau hingegen sei schwierig, einer sagte „eiskalt“. Andere sagten, sie hätten davon gehört, dass der Täter früher oft in Schlägerei­en verwickelt gewesen sei. Er hatte trotz langer Andeutunge­n und Gerüchte einfach nicht wahrhaben wollen, dass ihn seine Frau verlasse, sagten Zeugen.

In den Plädoyers hatte der Staatsanwa­lt lebensläng­lich wegen Mordes und gefährlich­er Brandstift­ung sowie versuchten Mordes gefordert, der Verteidige­r sechs Jahre für Totschlag und schwere Brandstift­ung.

Das Gericht blieb bei Totschlag. Die Steuerungs­fähigkeit des Angeklagte­n sei zum Tatzeitpun­kt erheblich eingeschrä­nkt gewesen. „Nur damit sie Ihre heile Welt erhalten konnten, haben sie den vermeintli­chen Störenfrie­d beseitigt“, so zitiert der Berichters­tatter des Heuberger Boten die Worte des Richters an den Verurteilt­en.

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