Neue Panne im Fall Staufen
Lehrerin warnte Jugendamt vor möglichem Missbrauch
FREIBURG (tja) - Im Fall des missbrauchten Neunjährigen aus Staufen ist am Donnerstag eine weitere mögliche Behördenpanne bekannt geworden. Die Lehrerin des Opfers wandte sich offensichtlich bereits im Juni 2017 an das Jugendamt. Ein Mitschüler des Jungen hatte berichtet, dass ihm der Neunjährige von sexuellen Übergriffen in der Familie erzählt habe. Das teilte die Lehrerin dem Jugendamt mit. Der Junge wurde trotz der Hinweise der Lehrerin erst rund drei Monate später vom Jugendamt endgültig in Obhut genommen.
Der Vorgang geht aus Akten von Polizei und Staatsanwaltschaft hervor, die das Justizministerium jetzt ausgewertet hat. Am Donnerstag unterrichtete das Haus weitere Ministerien, die E-Mail liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor. Das Kind wurde nach heutigem Kenntnisstand von Mutter und Stiefvater an Männer vermietet. Einer der Freier steht seit Donnerstag vor Gericht.
●
●
LINDAU - Die Sensation ist 6,80 Meter lang, 1,05 Meter breit und wurde am Donnerstag – aufgehängt in einem speziellen Gestell – in Lindau der Öffentlichkeit präsentiert: Das älteste je in Bayern gefundene Boot. Es bringt reihenweise Archäologen ins Schwärmen. Experten sprechen von einem „Riesenglück“und einer „sensationellen Entdeckung“: Bei dem rund 3150 Jahre zählenden Einbaum handelt es sich um den ältesten Schiffsfund im Bodensee.
Christoph Schmid freut sich besonders: Der 30-jährige Wasserburger hat den Einbaum aus der Bronzezeit „quasi vor meiner Haustür in etwa vier Meter Tiefe beim Schnorcheln entdeckt“. Nicht etwa erst jetzt, sondern bereits als Zehnjähriger. Beim Anblick des Schiffswracks habe er damals Angst gehabt, „dass etwas Unheimliches drin ist“, und das schemenhafte Ding aus dem Wasser mit der Zeit wieder vergessen. Bis 2015. Da kam ihm das Wrack wieder in den Sinn. Er suchte es, wurde fündig. Und meldete seine Entdeckung den Behörden.
Nach einer ersten Sichtung durch die Wasserwacht und die Wasserschutzpolizei Lindau untersuchten Taucher der Bayerischen Gesell- schaft für Unterwasserarchäologie (BGfU) den seltenen Fund. In sechs Tauchgängen dokumentierten sie Lage und Form des Einbaums, entnahmen Proben für die Altersbestimmung und prüften Maßnahmen zu Schutz und Erhaltung des Bootes. „Anfangs hieß es, das Wasserfahr- zeug könnte 400 Jahre alt sein“, erinnert sich Robert Angermayr von der BGfU. „Dann waren es 600 Jahre. Das, was wir heute wissen, dass der Einbaum sogar rund 100 Jahre vor der Entstehung der ersten Pfahlbauten gebaut wurde, ist der Hammer.“Auch Tobias Pflederer, Vorsitzender der BGfU, bezeichnet die Datierung des Eichenholz-Einbaums als „phänomenal“. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er den seltenen Fund aus dem Bodensee geborgen. „Man kann sich das schon ein bisschen wie bei den Kindern vorstellen, die im Sandkasten spielen“, erklärt der Ex- perte. Mühsam habe man den Einbaum mithilfe von kleinen Schaufeln und eines Unterwasserstaubsaugers vom Sediment befreit. „Das war schweißtreibende Arbeit“, sagt Pflederer. Dann habe man Spanngurte mit Polsterung unter dem Einbaum durchgeschoben und ihn vorsichtig gehoben. „Wir hatten Angst, er könnte brechen, was glücklicherweise nicht passiert ist“, sagt Pflederer.
Zur Konservierung nach München
Laut Franz Herzig, Experte für die Altersbestimmung, stammt der Baum aus einem Auwald und zählte rund 200 Jahre, als er gefällt wurde. Er wog zwischen drei und vier Tonnen. Das vollendete Boot wog 600 bis 700 Kilogramm. Ursprünglich sei es etwa 7,50 Meter lang und 1,10 Meter breit gewesen, schätzt Herzig. Während das Heck nahezu vollständig erhalten ist, war der Bug der Erosion offenbar stärker ausgesetzt – er ist teilweise ausgebrochen. Von den Bordwänden sind nur noch wenige Zentimeter Höhe übrig.
Bereits am Mittwoch ist der Einbaum in einer speziell gebauten, mit Wasser gefüllten Wanne nach München gebracht worden. Dort wird er mit einem speziellen Kunstharz konserviert – es verdrängt allmählich das Wasser aus dem Holz und stützt es. Dieser Vorgang kann bis zu drei Jahre dauern. Wie und wo der Fund später der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, ist noch unklar.
Neben Bayern freut sich auch Baden-Württemberg: „Für die Landesarchäologie hat der Fund große Bedeutung“, sagt Julia Goldhammer, Referentin für Feuchtbodenarchäologie beim Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart. „Vom Bodensee kennen wir bislang nur zwei Wasserfahrzeuge, die sicher als Einbaum anzusehen sind. Das letzte prähistorische Stammboot wurde vor 90 Jahren gefunden.“Es gehöre zu den ungelösten Rätseln der Pfahlbauarchäologie, wo die Boote der Siedler aus der Stein- und Bronzezeit geblieben sind.
Rechtlich gesehen gehört dem Finder Christoph Schmid übrigens eine Hälfte des Einbaums, die andere dem Land Bayern. Das große Geld bedeutet das allerdings nicht, wie Vertreter des Freistaats bei der Präsentation deutlich machten. Aber das kann Schmids Freude über seine Entdeckung nicht trüben.
Ein Video von der Präsentation des Einbaums sehen Sie unter www.schwäbische.de/boot