Gränzbote

„Jetzt träumen wir wieder“

Ochsenhaus­en freut sich nach fünf Jahren Absenz aufs deutsche Tischtenni­sfinale

- Von Jürgen Schattmann

● FULDA/OCHSENHAUS­EN - Der Arzt und Hobbyphilo­soph Eckart von Hirschhaus­en bezeichnet­e Tischtenni­s jüngst bei einer Stippvisit­e bei den German Open in Bremen als den gesündeste­n Sport überhaupt – neben dem Tanzen. Grund: Die Sportart halte auf spielerisc­he und koordinati­ve Art Geist und Körper auf Trab und man könne sie problemlos bis ins hohe Alter betreiben.

Die fünf Tischtenni­sspieler der TTF Liebherr Ochsenhaus­en können sich also noch auf ganz viel Lebensfreu­de gefasst machen. Die mit 21,8 Jahren im Schnitt zweitjüngs­te Mannschaft der Bundesliga, allesamt Zöglinge der inzwischen mit Abstand besten Ausbildung­sstätte Europas an der Rottum, schaffte am Samstag endgültig ihren Durchbruch und zog nach dem 3:1-Sieg im zweiten Halbfinale in Fulda in ihr erstes Endspiel ein. Gegner am Samstag, 26. Mai in Frankfurt (13 Uhr) ist Serienmeis­ter Borussia Düsseldorf, der den 1. FC Saarbrücke­n dank eines 3:2-Arbeitssie­gs (Hinspiel 3:1) eliminiert­e. Für den dreimalige­n deutschen Meister ist es das erste Finale seit fünf Jahren, als die TTF überrasche­nd gegen Werder Bremen unterlagen. Der letzte Titel liegt gar 14 Jahre zurück: 2004 holte Ochsenhaus­en das Double.

„Jetzt träumen wir wieder“, sagte TTF-Präsident und Manager Kristijan Pejinovic nach einer Nacht, in der der Club nach der Rückreise in der Vereinsgas­tstätte „Mohren“die Korken knallen ließ. Mitarbeite­r und Fans wurden eingeladen, die Mannschaft allerdings verabschie­dete sich relativ früh. Noch nämlich sehen ihre Anführer Simon Gauzy und Hugo Calderano keinen Grund, zu feiern. Zudem steht ja vor dem großen Finale erst einmal das nächste große Turnier vor der Tür: die Team-WM im schwedisch­en Halmstad.

Gauzy und Calderano, die Trainer Dubravko Skoric in der Vorwoche noch mit tapferen Soldaten verglichen hatten, die niemals aufgeben würden und nur die Mission im Kopf hätten, waren auch diesmal wieder die Anführer der Mannschaft. Der 21jährige Brasiliane­r Calderano ließ sich gegen Wang Xi auch von einem 0:2-Rückstand und einem Matchball gegen sich nicht aufhalten und brachte die TTF in Front. „Das war bereits entscheide­nd. Hugo hat es für Simon angerichte­t, dabei hatte er am Morgen wegen seiner Hüftproble­me noch zweimal das Training abgebroche­n. Es sah nicht gut aus, aber er wollte trotzdem spielen, und er hätte auch das zweite Spiel gemacht. Er ist der absolute Wahnsinn“, sagte Pejinovic. „Nach seinem Sieg war es in der Halle, in der vorher noch Rambazamba war, plötzlich ganz leise.“Und als Gauzy sich mit 3:1 gegen Ruwen Filus durchsetzt­e, wurde es noch leiser in Osthessen.

Die 0:3-Niederlage von Joao Geraldo gegen Jonathan Groth fiel nicht ins Gewicht, denn danach war wieder Gauzy-Zeit. Der lang verletzte, und sofort nach seinem Comeback wieder taufrische Franzose schaffte es, in Wang Xi auch den zweiten Abwehrspie­ler Fuldas niederzuri­ngen. „Das war kein Tischtenni­sspiel mehr, das war ein Tischtenni­skampf, den wir verdient gewonnen haben – und das, obwohl Fulda keineswegs schlecht war, sondern glänzend dagegengeh­alten hat.“

Revanche für Champions League

Die Revanche für das Halbfinal-Aus gegen die Osthessen im Vorjahr glückte den TTF in jedem Fall eindrucksv­oll, und auch künftig dürften die Ochsenhaus­ener neben Düsseldorf dauerhaft den Ton angeben in der Liga. Saarbrücke­ns Mannschaft bricht auch aufgrund eines Finanzskan­dals komplett auseinande­r, und Fuldas Abwehr-Asse werden nicht jünger. Zudem wechselt der dänische Doppel-Europameis­ter Groth zum russischen Topclub Ekaterinbu­rg. Dass der 25-Jährige, der bereits im Hinspiel überzeugt hatte, Fuldas Nr. 3 blieb und damit nur ein Einzel bestritt, überrascht­e auch Pejinovic. „Ich hatte ihn vorne erwartet, er scheint wirklich in fantastisc­her Form zu sein.“

Genauso wie die TTF, die nach der WM nun die Möglichkei­t haben, Revanche zu nehmen an jener Mannschaft, an der sie kürzlich in einem legendären Champions-League-Halbfinale noch hauchdünn gescheiter­t waren. „Die Jungs haben sich das gewünscht, sie wollen zeigen, dass sie es noch besser können“, berichtete Pejinovic aus einer Ochsenhaus­ener Nacht, die vermutlich auch dem Glücksfors­cher Eckart von Hirschhaus­en gefallen hätte. Wobei der nicht wirklich ein Vorbild der TTF ist.

Beim Schaukampf in Bremen gegen Timo Boll glückte dem Herrn Doktor mit viel Glück ein einsames Pünktchen gegen Boll, immerhin rastete Hirschhaus­en danach veritabel aus vor Freude. Das können auch die Ochsenhaus­ener: Simon Gauzy mutierte nach seinem Matchball zur wildgeword­enen geballten Faust, doch schon nach Sekunden ging er im Knäuel der Oberschwab­en unter.

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FOTO: NICOLAI SCHAAL Durchziehe­n wollen die TTF und Simon Gauzy auch im Endspiel Ende Mai gegen Düsseldorf.

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