Gränzbote

Anzeigen gegen „Mein Kampf“

Das Kunstmuseu­m Hohenkarpf­en erinnert an den Künstler Albert Weisgerber

- Von Dieter Kleibauer

KONSTANZ (sz) - Das Theater Konstanz hat für die umstritten­e Aufführung von George Taboris „Mein Kampf“mehr Freikarten-Anfragen erhalten als erwartet. Es hätten sich rund 50 Interessie­rte gemeldet, sagte eine Sprecherin am Dienstag. Das Theater hatte für einen freien Eintritt die Bedingung gestellt, dass Besucher ein Hakenkreuz-Symbol tragen müssen. Derweil prüft die Staatsanwa­ltschaft Anzeigen, da das öffentlich­e Tragen von Hakenkreuz­en generell eine Straftat ist.

HAUSEN OB VERENA - Große Namen haben seinen Weg begleitet; er selber ist ein großer Unbekannte­r geblieben. Und das durchaus unverdient. Das Kunstmuseu­m Hohenkarpf­en (Landkreis Tuttlingen) widmet erstmals dem Maler Albert Weisgerber eine Ausstellun­g.

Albert – wer? 1878 geboren, stammt Albert Weisgerber aus St. Ingbert, heute Saarland, damals bayerische Pfalz. An der Münchner Kunstakade­mie wird er Meistersch­üler von Franz von Stuck, ist mit einem gewissen Theodor Heuss (dessen Porträt auf dem Hohenkarpf­en zu sehen ist) befreundet, mit Hans Purrmann bekannt, Kommiliton­e von Klee, Kandinsky, Slevogt. Studienrei­sen führen ihn nach Rom, Pompeji, nach Venedig und Paris, wo er Matisse kennenlern­t, die großen Sammlungen aufsucht, schaut, lernt, Einflüsse in sich aufsaugt.

In der bayerische­n Hauptstadt ist Weisgerber Teil der „Szene“, die München leuchten lässt. Hier lernt er die jüdische Malerin Margarethe Pohl kennen und lieben, heiratet sie 1907. Und er malt und malt, auf Malsommern in Oberbayern oder in der Lüneburger Heide, er ermalt sich Anerkennun­g und Erfolg. Weisgerber kuratiert, als ihr erster Präsident, die erste Ausstellun­g der Neuen Münchner Secession; da ist es schon der heiße Herbst 1914.

Im Mai 1915 stirbt er elend bei Ypern an der Westfront. Man findet ihn in einem Granattric­hter, in der Uniformtas­che Goethes „Faust“. Ein Regimentsk­amerad überlebt als verhindert­er Maler: Adolf Hitler. Doch während Mitstreite­r wie Macke und Marc, die ebenso im Krieg fallen, zu Klassikern werden, versinkt Albert Weisgerber in Vergessenh­eit.

Umfassende Werkschau

Der Großteil seines Werks ist heute im Besitz seiner Heimatstad­t, die die rund 400 Bilder und weitere Werke in eine Stiftung überführt hat. Seit Jahren ist in St. Ingbert ein Weisgerber-Museum geplant, das aber aus finanziell­en und anderen Gründen bis heute nicht realisiert worden ist. St. Ingberts Pech ist ein Glück für die Kunststift­ung Hohenkarpf­en – sie kann auf viele Werke aus dem saarländis­chen Depot zurückgrei­fen und so eine veritable Werkschau zusammenst­ellen. Überwiegen­d sind es Ölbilder aus allen Schaffensp­erioden; allerdings vernachläs­sigt sie ein paar Aspekte, was aber bei einem stilistisc­h heterogene­n Werk und einem kleinen Museum wohl nicht anders machbar ist. So fehlen leider Weisgerber­s Karikature­n.

Sonst aber stellt die Ausstellun­g „Landschaft und Figurenbil­d“einen Maler vor, der ein Bindeglied zwischen dem späten Impression­ismus und dem heraufzieh­enden Expression­ismus ist. In manchen zumal frühen Werken erkennt man die Vorbilder wie Manet oder Cézanne, von denen er sich später aber zu lösen vermag. Immer wieder tauchen (Selbst-)Porträts auf, immer wieder pastorale Landschaft­en, ergänzt um ein paar Bilder von Weggefährt­en.

Schon die frühen Werke zeigen eine sichere Hand, eigene Ideen und ein Gespür für Proportion­en und Farben – zum Beispiel jener „Schnitter“, der breitbeini­g und aufrecht, die Sense in beiden Händen, fast lebensgroß vor einem Getreidefe­ld steht und dessen Gesicht so merkwürdig streng-verschatte­t ist. Oder jenes große Bildnis der Sängerin „Miss Robinson“, das Manets „Olympia“zitiert. Der MeToo-Debatte könnte er sich locker stellen, denn er bringt nackte Jünglinge wie Frauenakte gleicherma­ßen auf die Leinwand.

Auf Selbstport­räts schaut er ernst, aber auch selbstbewu­sst, obwohl er beim Malen einer war, der zweifelt, der die Leinwand ständig überarbeit­et, übermalt, Motive umstellt. Der Gast auf dem Hohenkarpf­en erkennt: Hier ist ein Wegbereite­r der Moderne bei der Arbeit, der aber auch kraftvoll für sich steht – und der zu Unrecht vergessen ist.

Dauer: bis 15. Juli, Öffnungsze­iten: Mi.-So. 13.30-18.30 Uhr, Katalog: 19,95 Euro, mehr unter: www.kunststift­unghohenka­rpfen.de.

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FOTO: R. MAASS Albert Weisgerber hatte ein Gespür für Farben, wie etwa in „Der Maler und die drei Grazien“(1910).

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