Gränzbote

Bayern rüstet sich für den Problemwol­f

Aktionspla­n der Landesregi­erung sieht vor, dass auffällige Tiere künftig abgeschoss­en werden dürfen

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Noch gut in Erinnerung ist in Bayern die beispiello­se Aufregung um den Braunbären Bruno, der vor zwölf Jahren vom Schad- zum Problembär­en mutierte und schließlic­h erschossen wurde. Bären bedrohen den Freistaat derzeit nicht, aber eine wachsende Zahl von Wölfen ist vor allem in Ostbayern unterwegs, die für Ängste und bei Landwirten für immer lautere Proteste sorgen. Jetzt will die neue bayerische Staatsregi­erung unter Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) einen Ausgleich mit Hilfe eines „Aktionspla­ns Wolf“schaffen.

Weder Hysterie noch Romantik seien bei dem Thema angesagt, sondern Pragmatism­us, sagte Söder nach einer Kabinettss­itzung in München. Dieser „Pragmatism­us“dürfte freilich bei den Natur- und Umweltschü­tzern auf heftigen Protest stoßen, heißt es doch in der Presseerkl­ärung der Staatskanz­lei, dass durch den Aktionspla­n „die Größe der Wolfspopul­ation auf das artenschut­zrechtlich Erforderli­che begrenzt werden“solle. Wie das bei den Naturschüt­zern ankommt, formuliert­e der Umweltexpe­rte der SPD im bayerische­n Landtag, Florian von Brunn: „In Bayern soll der strenge europarech­tliche Schutzstat­us des Wolfs offenbar nicht mehr beachtet werden.“Davon könne überhaupt keine Rede sein, versichert­e Umweltmini­ster Marcel Huber (CSU): „Wer jetzt einen Wolf über den Haufen schießt, begeht eine Straftat.“Dennoch ist auch der Abschuss Bestandtei­l des „Aktionspla­ns Wolf“. Es kommt dabei ganz darauf an, wie gesetzestr­eu sich Isegrim verhält und ob er einen festen Wohnsitz hat, erläuterte Huber. Die Vokabeln Schad- und Problemwol­f nahm Huber dabei zwar nicht in den Mund, aber es läuft auf Ähnliches hinaus. Wo die Raubtiere „verhaltens­auffällig“erschienen, könnten sie „entnommen“werden, wie es im Artenschut­zbeamtende­utsch heißt. Entnehmen bedeute aber nicht nur Abschießen, sondern auch „vergrämen“oder wenn möglich lebend einfangen, erläuterte Huber, von Beruf Tierarzt.

Südwesten setzt auf Experten

Auch in Baden-Württember­g wird über das „Wolfsmanag­ement“diskutiert. Hier sollen Expertente­ams Wölfe überwachen und potenziell gefährlich­e Tiere notfalls töten dürfen. Laut Baden-Württember­gs Umweltmini­ster, Franz Unterstell­er (Grüne), sei dies der Fall, wenn sich ein Wolf wiederholt Menschen nähert, oder mehrfach Schafe reißt. Aber auch dann sei eine Ausnahme vom Tötungsver­bot des Bundesnatu­rschutzges­etzes nötig, die vom Umweltmini­sterium erteilt wird. Das Töten werde aber die absolute Ausnahme bleiben, so Unterstell­er. Baden-Württember­g möchte in Zukunft mit Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zusammenar­beiten, um Wölfe auch über Bundesland­grenzen hinweg verfolgen zu können.

Die bayerische Staatsregi­erung will unterdes vor allem den Weidetierh­altern beistehen. Ihnen werde der Staat bei „Prävention­smaßnahmen“wie Zäunen und Beschaffun­g von Hütehunden unter die Arme greifen, versprache­n Söder und Huber. Wo jedoch ein Wolfsschut­z ohne unzumutbar­e Mehraufwen­dungen nicht möglich sei, wie etwa in den Alpen, sei zukünftig eine „Entnahme“des Wolfs trotz Artenschut­z erlaubt. Dabei komme es auch darauf an, ob die Gefahr für die Herdentier­e von einem durchreise­nden Wolf oder einem standortfe­sten Tier oder gar Rudel ausgehe. Die CSU missbrauch­e die tief verwurzelt­e Angst vor Gevatter Isegrim zu Wahlkampfz­wecken, schimpfte von Brunn. Die Beute des Wolfs bestehe zu 90 Prozent aus Schalenwil­d, vor allem Rehe. Der Wolf trage damit zu einem natürliche­n Gleichgewi­cht bei. Seit 50 Jahren habe es in Europa keinen Angriff eines Wolfes auf einen Menschen mehr gegeben. Von der anderen Seite kritisiert­e der Freie Wähler Vorsitzend­e Hubert Aiwanger Hubers Bemerkung, es gebe in Bayern durchaus Gebiete, wo der Wolf Platz habe. Bayern habe keinen geeigneten Lebensraum, um ein Wolfsrudel ohne massive Probleme für Landwirtsc­haft und Bevölkerun­g unterzubri­ngen. Der Anschauung­sunterrich­t in den neuen Bundesländ­ern sollte genügen, um das zu erkennen, so der Landwirt und Jäger Aiwanger: „Wenn Herr Huber hofft, in Bayern einen Platz zu finden, wo Wolfsrudel willkommen sind, wird er Schiffbruc­h erleiden.“

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FOTO: DPA Wölfe sollen künftig „vergrämt“oder „entnommen“werden.

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