Gränzbote

Die Kruzifix-Pflicht entzweit das Land

Eine Anordnung des bayerische­n Ministerpr­äsidenten entfacht eine kontrovers­e Debatte

- Von Andreas Herholz, Ralf Müller und Agenturen

BERLIN – Licht und Schatten auf dem Gesicht, das Kreuz in der Hand: Das Foto, mit dem Bayerns Ministerpr­äsident in der Staatskanz­lei für seine Kruzifix-Offensive wirbt, wird in den sozialen Netzwerken tausendfac­h verbreitet. Heftige Kritik für Markus Söder und seinen Plan, in jeder Landesbehö­rde ein Kreuz aufhängen zu lassen, jede Menge Spott, aber auch Zustimmung. Ein neuer Kruzifix-Streit, der weit über Bayern hinausgeht.

Das Kreuz an den Behördenwä­nden – für Söder „ein klares Bekenntnis zur Identität“, zur „kulturelle­n Prägung“Bayerns und zu christlich­en Werten.

Am Dienstag hatte das bayerische Kabinett beschlosse­n, dass in jeder staatliche­n Landesbehö­rde ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen soll. Bisher hatte die Bayerische Staatsregi­erung nur Kreuze in Gerichtssä­len und Klassenzim­mern vorgeschri­eben.

Kritiker warnen, das Kruzifix werde so zur Folklore. „Wie der Markus Söder und die CSU Religionen permanent für die Parteipoli­tik instrument­alisieren, das erinnert geradezu an Erdogan. Das Grundgeset­z hat keine Konfession“, erklärte FDPChef Christian Lindner gestern via Twitter. „Lieber Markus Söder, hing da etwa vorher keines? Waren Sie also all die Jahre ,unchristli­ch’ und ,unabendlän­disch’?“, meldete sich Grünen-Chef Robert Habeck.

Heinig: „Gerade noch zulässig“

Der Kirchenrec­htler und Leiter des kirchenrec­htlichen Instituts der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d EKD Hans Michael Heinig hält Söders Anordnung für „gerade noch zulässig“– wenn der Ministerpr­äsident das Kreuz als „kulturgesc­hichtliche­n Verweis“meine. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“bezeichnet­e Heinig die Anordnung als rechtliche Gratwander­ung. Es spreche aber viel dafür, dass man bei einer Anbringung des Kreuzes von einem erhebliche­n Grundrecht­seingriff noch nicht ausgehen könne.

Der EKD-Ratsvorsit­zende und bayerische Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm sieht die Anbringung von Kreuzen in allen Behördenge­bäuden Bayerns grundsätzl­ich positiv. Er widersprac­h aber Söders Aussage, dass das Kreuz nicht für eine Religion stehe, sondern ein Bekenntnis zur Identität darstelle. „Wir als Christen und wir als Kirchen werden natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass das Kreuz zuallerers­t ein religiöses Symbol ist. Und wir werden auch immer wieder auf den Inhalt des Kreuzes hinweisen“, erklärte er.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick begrüßte den Beschluss des Kabinetts vom Dienstag. „Das Kreuz aufzuhänge­n und als Zeichen der Einheit, der Versöhnung, des Friedens, der Geschwiste­rlichkeit, der Solidaritä­t deutlich zu machen, das ist natürlich gut“, sagte Schick am Mittwoch im Bayerische­n Rundfunk (BR). „Alle Menschen, die das Kreuz anschauen, verpflicht­en sich, das zu leben und voranzubri­ngen, was das Kreuz bedeutet.“Das Kreuz könne Menschen aller Religionen miteinande­r verbinden. Es gebe nur einen Gott, den Christen, Muslime und Juden anriefen.

Mazyek beklagt “Doppelmora­l“

Der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Muslime, Aiman Mazyek, sagte: „Wir Muslime haben kein Problem mit dem Kreuz.“Die staatliche Neutralitä­t solle dabei aber stets gewahrt bleiben. Was nicht gehe, sei die „Doppelmora­l“, christlich­e Symbole zu akzeptiere­n, aber muslimisch­e, jüdische oder andere aus der Öffentlich­keit zu verbannen.

Der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, riet zur Mäßigung. „Ich sehe keinen Grund für einen Kampf gegen Kreuze“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zugleich mahnte Sternberg, Kreuze seien kein Kampfmitte­l gegen andere, sie zeigten vielmehr „den Wert von Religion“.

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FOTO: DPA Mit diesem Bild wirbt Markus Söder für seine Kruzifix-Offensive. In jeder bayerische­n Landesbehö­rde soll ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen.

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