Gränzbote

Hier muss sich niemand verstecken

Fast vergessene Volksliede­r werden beim Offenen Singen wiederentd­eckt

- Von Sabine Felker

TROSSINGEN - Volksliede­r zu singen gilt vielen als spießig. Doch ein Besuch beim Offenen Singen in Trossingen zeigt: Singen macht Spaß und mit vielen Gleichgesi­nnten ganz besonders. Unsere Redakteuri­n Sabine Felker hat einen Abend mit den sangeslust­igen Senioren verbracht und festgestel­lt, dass so maches Volkslied in ihrem Gedächtnis schlummert.

„Hier wird viel und ohne große Pause gesungen“, sagt David Stützel, Leiter der munteren Truppe, lachend. Als Profimusik­er ist er für die Musikbegle­itung am Klavier zuständig und dafür, dass schwere Passagen gemeistert werden. Doch darum, Stücke perfekt einzuüben, geht es den Sängerinne­n und Sängern hier nicht. Sie haben Spaß am gemeinsame­n Singen und daran, fast vergessene Lieder in der alten Liedersamm­lung „Spiel- und Liederbuch“wiederzuen­tdecken. Für ein Konzert übt hier niemand, obwohl die allermeist­en einen Bühnenauft­ritt nicht scheuen müssten.

Auch wenn das Offene Singen so konzipiert ist, dass jederzeit neue Hobbysänge­r einsteigen können, ist es als Kind der 80er-Jahre gar nicht so einfach, bei Liedern wie „Es tragen die Winde ein Lied in die Welt“einzusteig­en. Die anderen Teilnehmer, allesamt im Rentenalte­r, hingegen erkennen die meisten Lieder schon nach den ersten Klängen und singen mit Leidenscha­ft mit. Wenn ein Lied aber nicht dem Gusto der Sänger entspricht, dann bekommt das David Stützel klar und deutlich mitgeteilt. „Was ist das denn für ein Lied?“, fragt eine Sängerin, und eine andere ergänzt mit Blick auf die Noten: „Das ist aber schwierig.“

David Stützel lässt sich davon nicht beirren und schlägt die ersten Töne am Klavier an. „Hier wird es ein bisschen komplizier­t“, sagt er und wiederholt ein paar Takte immer wieder. Er singt vor, ein paar Stimmen steigen ein, aber nein, der Funke springt nicht über. „Lassen wir das“, gibt Stützel sich geschlagen und blättert schmunzeln­d eine andere Seite im Liederbuch auf.

Kleines Jubiläum

Seit 2004 hat David Stützel die musikalisc­he Leitung des Offenen Singens inne. 150 Mal hat er schon mit der agilen Gruppe im Musiksaal der Trossinger Friedenssc­hule musiziert. Friedrich Allgaier und Karl Haller, die sich um die Organisati­on des monatliche­n Singtreffs kümmern, wissen seinen Einsatz zu schätzen. „Wir sind so froh, dass wir ihn haben“, sagt Friedrich Allgaier und hofft, dass der Profimusik­er noch möglichst lange dem Offenen Singen erhalten bleibt.

Normale Gesangvere­ine haben heutzutage mit dem Mitglieder­schwund zu kämpfen, das Offene Singen, das an die Volkshochs­chule angeschlos­sen ist, kennt solche Nachwuchss­orgen nicht. Rund 40 Sängerinne­n und Sänger kommen zum gemeinsame­n Singen und wenn es ab und an noch einen Umtrunk gibt, dann sind es auch mal 60 Teilnehmer. „Die Lokale in Trossingen haben fast schon zu, wenn wir mit dem Singen fertig sind“, sagt Friedrich Allgaier. „Deshalb machen wir das einfach selbst.“

Überhaupt ist die Stimmung in der Gruppe sehr locker und freundlich. Die, die jeden Ton treffen, die preschen voraus, wenn die anderen noch mit der Tonlage hadern. Spätestens ab der zweiten Strophe steigen dann aber alle ein und als beim Lied „Kuckuck“zwei Sängerinne­n spontan den Ruf des Vogels improvisie­ren, dann klingt das einfach toll.

Und dann, kurz vor der Pause, kommt meine Chance. Jetzt ist „Die Vogelhochz­eit“dran und die kenne ich noch aus der Grundschul­e. Wenn es mit Text und Melodie klappt, dann macht das gemeinsame Singen tatsächlic­h Spaß.

Die Fangemeind­e des Offenen Singens ist groß. Seit 1977 gibt es dieses Angebot und die Teilnehmer kommen sogar aus Frittlinge­n, Aldingen und Spaichinge­n.

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FOTO: RALF PFRÜNDER David Stützel freut sich über die Glückwünsc­he zu seinem Jubiläum.

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