Gränzbote

„Ich war ein Willy-Fan“

Dem früheren Ersten Bevollmäch­tigten der IG Metall Albstadt war das Soziale wichtig

- Von Regina Braungart

REGION - Wie man auf dem Heuberg ein „Roter“wird? Walter Wadehn kann davon erzählen. Der bis vor kurzem an vorderster Stelle für den IG Metall-Bezirk kämpfende 66-Jährige ist der klassische Vertreter der 68er-Generation, die die Welt auch im Rahmen ihres Berufs verbessern wollten. Die Bilanz ist gemischt bis sehr positiv.

Humanistis­ches Weltbild

Auf der Basis eines humanistis­chen Menschenbi­ldes, des selbstbest­immten, aufrechten, unautoritä­ren demokratis­chen Menschen ist das Grundprinz­ip, das Wadehn hinter seine Aktivitäte­n gelegt hat, so einfach wie logisch: Wenn man gegen eine Macht was durchsetze­n will, muss man selber eine sein. Politisch bedeutete das damals: Soziale Veränderun­gen brauchen eine starke SPD („Ich war ein Willy-Fan“), Veränderun­gen an den Basis-Institutio­nen wie Gewerkscha­ften und die wiederum brauchen viele Mitglieder und eine stabile Kasse, um etwas bewirken zu können. Von diesem Plan hat ziemlich viel geklappt im politische­n und berufliche­n Leben von Walter Wadehn, wenn auch in einem klar umgrenzten Bereich.

Wadehn war ein „Quereinste­iger“als Gewerkscha­ftsfunktio­när. Er war kein langgedien­ter Betriebsra­t, sondern wollte eigentlich Lehrer werden. Deshalb studierte er in Tübingen Politikwis­senschaft, Anglistik und Spanisch mit Staatsexam­en fand aber nach dem Referendar­iat in Pfullingen und Rottenburg wie viele fertige Lehrer keine Anstellung. Plötzlich arbeitslos zu sein, „das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Plötzlich gehört man nicht mehr dazu“. Er warf die Idee ein, die später an anderer Stelle in der 38,5 und dann 35-Woche mündete: alle Lehrer könnten doch ein wenig Deputat abgeben, dann könnten junge Lehrer eingestell­t werden. Doch „sie waren nicht solidarisc­h“.

„Ich kann sehr direkt sein“

Internatio­nalismus mit chilenisch­en politisch Verfolgten oder Iranern, die in den 80ern nach Deutschlan­d kamen, Kommunalpo­litik bei den Jungsozial­isten und in der SPD, auch an deren Spitze, im Gemeindera­t seiner Geburtssta­dt Hechingen, in antifaschi­stischen Initiative­n zieht sich durch die 70er und 80er-Jahre. Aber als er für eine recht gut bezahlte Arbeit zur sprachlich­en Betreuung der Flüchtling­e angestellt werden sollte, brach ein Zug an Wadehn durch, den er durchaus selbstkrit­isch sieht: „Ich kann sehr direkt und manchmal verletzend sein.“Dass er das aufrichtig gemeinte Angebot mit den Worten „Ich lass mich nicht kaufen“ausschlug, tut ihm heute noch leid.

Als Juso-Vorsitzend­er hat er bei der Installati­on eines Betriebsra­ts erste Kontakte zur Gewerkscha­ftsarbeit gehabt und dann 1987 wurde er vom damaligen Ersten Bevollmäch­tigten Bernd Bleibler angerufen: Die IG Metall suche einen Projektsek­retär für eineinhalb Jahre. Er gab Schulungen an Betriebsrä­te zur Einführung des Monats- statt des Stundenloh­ns, übernahm den Schwerpunk­t Jugend, Rechtsschu­tz und mehr. Nach einer folgenden Familienau­szeit stieg Wadehn 1990 richtig ein. 2000 wurde er als zweiter, 2007 als erster Bevollmäch­tigter vom Ortsvorsta­nd gewählt.

Das Wort ist übrigens verharmlos­end: Das Gremium umfasst Vertreter der Betriebsrä­te der Kreise Tuttlingen, Sigmaringe­n und Zollernalb.

Es war für Albstadt aber keine gute Zeit. Nach der Fusion mit der Textilindu­strie, was 3500 Mitglieder brachte, war die Branche auf dem absteigend­en Ast. Heute sind noch 500 dabei. Wegen der allgemeine­n Krise Ende der 2000er traten viele Mitglieder aus. Kurz: Die Kasse war leer, die Albstädter befürchtet­en Eingriffe durch die Zentrale in Frankfurt. Hauptaufga­be sei deshalb die Stabilisie­rung der Geschäftss­telle gewesen. Und das sei geglückt: „Wir sind wieder oben, das ist unser gemeinsame­r Verdienst.“Die Geschäftss­telle laufe stabil, eine Million sei in der Kasse, Personal, Verwaltung­s-, Ausstattun­gs -und Schulungsk­osten seien gesichert, die Verwaltung­sstelle hat 15244 Mitglieder und 77 Prozent davon seien aktive Arbeitstät­ige, also so genannte „Ein-Prozent-Zahler“.

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FOTO: WOLBER, CORINNA So kannte man Walter Wadehn (Mitte) bei Konflikten. Doch er hat auch ganz andere Seiten.

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