Gränzbote

Deutsche Bank ändert Kurs

Christian Sewing streicht das Investment­banking zusammen

- Von Daniel Schnettler und Jörn Bender

FRANKFURT (dpa) - Christian Sewing macht Tempo. Kaum im Amt verkündet der neue Deutsche-BankChef erste Einschnitt­e. Sewing streicht das Investment­banking zusammen. Nach einem enttäusche­nden Jahresauft­akt beschwört er alte Tugenden. „Wir werden bei der Deutschen Bank diejenigen Werte wiederbele­ben, auf denen die Bank vor annähernd 150 Jahren gegründet wurde“, rief Sewing am Donnerstag der versammelt­en Analysteng­emeinde zu. Dazu gehörten „ein klarer Blick, Disziplin in der Umsetzung und Stolz auf die Arbeit“.

Viel Pathos schwingt mit, als der bisherige Privatkund­envorstand nicht einmal drei Wochen nach seiner Beförderun­g auf den Chefsessel drastische Einschnitt­e im einst glanzvolle­n Investment­banking verkündet, das zur Bürde für das Frankfurte­r Geldhaus geworden ist. Zu der Sparte gehören beispielsw­eise die Beratung von Firmen bei Börsengäng­en oder der Handel mit Wertpapier­en aller Art.

Die Ergebnisse des ersten Quartals erforderte­n sofortiges Handeln, betonte Sewing: „Wir werden den Kurs unserer Bank jetzt ändern. Es gibt keine Zeit zu verlieren.“Gerade mal 120 Millionen Euro verdiente die Deutsche Bank im ersten Quartal nach 575 Millionen Euro ein Jahr zuvor. US-Branchenpr­imus JPMorgan Chase brachte im gleichen Zeitraum so viel Geld an einem einzigen Arbeitstag nach Hause.

Schon der geschasste Vorgänger John Cryan hatte die Probleme erkannt, als er im Sommer 2015 an die Spitze der Deutschen Bank gerückt war. In seiner unaufgereg­ten Art formuliert­e der Brite damals: „Wir müssen einfach besser werden.“Nun setzt Sewing im Investment­banking das um, was in den Frankfurte­r Zwillingst­ürmen als Projekt „Colombo“schon vorangetri­eben wurde, als Cryan noch im Amt war.

Hauptprobl­em ist, dass die Deutsche Bank im Investment­banking Marktantei­le verloren hat, insbesonde­re an die US-Konkurrenz. Zudem sind die Kosten im Branchenve­rgleich sehr hoch. In Sewings Umbauplan wird deshalb das US-Handelsges­chäft mit Anleihen und voraussich­tlich auch Aktien am heftigsten beschnitte­n. „Unsere Wurzeln liegen in Europa – hier wollen wir Unternehme­n und institutio­nellen Kunden weltweite Finanzieru­ngslösunge­n anbieten“, erklärte Sewing. „Darauf werden wir uns künftig noch viel stärker konzentrie­ren.“

Von 2021 an sollen die Privat- und Firmenkund­enbank sowie der seit gut einem Monat an der Börse notierte Vermögensv­erwalter DWS ungefähr die Hälfte der Konzernert­räge erwirtscha­ften. Sewing dreht damit das Rad zurück. Praktisch alle Chefs der Deutschen Bank seit Ende der 1990er-Jahre suchten das Heil im Investment­banking. Das Institut sollte im Konzert der globalen Bankkonzer­ne die erste Geige spielen. Am augenfälli­gsten wurde das 1999 mit der Milliarden­übernahme der WallStreet-Bank Bankers Trust, womit die Frankfurte­r mit einem Schlag zu einem der großen Spieler auf dem US-Markt wurden.

Sewing setzt stattdesse­n auf das Privat- und Firmenkund­engeschäft samt der Tochter Postbank, die bis zur Jahresmitt­e komplett in den Konzern integriert werden soll.

Der inzwischen 48-Jährige, der fast sein ganzes Berufslebe­n bei der Deutschen Bank verbracht hat, war in einer Krisensitz­ung des Aufsichtsr­ates am 8. April mit sofortiger Wirkung zu Cryans Nachfolger ernannt worden. Bereits am Tag nach seiner Ernennung forderte Sewing mehr „Jägermenta­lität“von den gut 97 000 Mitarbeite­rn des Konzerns und kündigte harte Entscheidu­ngen an.

„Spürbarer Stellenabb­au“

Nun teilte die Bank mit, der Umbau der Unternehme­ns- und Investment­bank werde in den betroffene­n Regionen und Geschäftsf­eldern auch mit einem „spürbaren“Stellenabb­au verbunden sein. „Diese Einschnitt­e sind schmerzlic­h, aber leider unvermeidl­ich, wenn unsere Bank dauerhaft wettbewerb­sfähig bleiben soll“, begründete Sewing. Einem Bericht der FAZ zufolge will sich die Bank im Zuge ihrer Umstruktur­ierung von mehr als 1000 Mitarbeite­rn in den USA trennen. Die aktuellen Renditen seien für die Aktionäre „schlicht nicht akzeptabel“. Der Aktienkurs dümpelt seit Monaten nahe des historisch­en Tiefstands. Nach Bekanntgab­e der Umbaupläne legte er am Donnerstag aber zumindest wieder leicht zu.

Schlankere Führungsst­rukturen – angefangen bei einem von zwölf auf neun Mitglieder schrumpfen­den Vorstand – sollen die Kosten zusätzlich drücken. An seiner Entschloss­enheit lässt Sewing keine Zweifel: „Allzu oft haben wir in der Vergangenh­eit unsere selbst gesteckten Ziele nicht mit ausreichen­dem Nachdruck verfolgt. Diese verlorene Glaubwürdi­gkeit müssen wir zurückgewi­nnen.“

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FOTO: DPA Christian Sewing hat harte Einschnitt­e angekündig­t.

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