Gränzbote

Brücken bauen mit großem Ideenreich­tum

Pfarrerkol­lege Hans Martin Dober würdigt den verstorben­en Wurmlinger Pfarrer Andreas Wagner

- Von Hans Martin Dober

● WURMLINGEN - Im Alter von 53 Jahren ist Andreas Wagner, Pfarrer der evangelisc­hen Kirchengem­einde Erlöserkir­che in Wurmlingen, vergangene­n Woche aus dem Leben geschieden. Sein Kollege Hans Martin Dober, Pfarrer der Friedenski­rchengemei­nde Tuttlingen, würdigt den verstorben­en Geistliche­n.

Andreas Wagner ist vor fünf Jahren hierher in den evangelisc­hen Kirchenbez­irk gekommen. Für ihn, der in Spaichinge­n geboren und aufgewachs­en ist, ist das eine Rückkehr gewesen. 15 Jahre hatte er in Israel verbracht, beginnend mit dem Programm „Studium in Israel“im Jahr 1990/91.

Nach dem Vikariat ging er, nun ein Pfarrvikar, 2003 als Studienlei­ter wieder nach Jerusalem, um sich unter erschwerte­n Arbeitsbed­ingungen infolge der zweiten Intifada seinem großen lebensbegl­eitenden Thema zu widmen: dem Verhältnis von Juden und Christen. Er lebte zwischen den Welten, den Kulturen, den Religionen, und hielt die damit verbundene­n Spannungen in seiner Person aus. Er baute Brücken mit großem Ideenreich­tum und Begeisteru­ngsfähigke­it.

Familie in Israel gegründet

Er gründete eine Familie und wurde Vater dreier Kinder in Israel. Er war derart bewandert in der hebräische­n Sprache, Geschichte und Kultur, dass er die Lizenz zum Reiseleite­r erwarb, die sonst nur Israelis vorbehalte­n ist.

Die ihn umtreibend­en Fragen hat er zudem wissenscha­ftlich bearbeitet. Seine Doktorarbe­it „Zwischen Engeln und Menschen. Die Rolle Henochs im Slawischen Henochbuch“umfasst 420 Seiten, russische Sprachkenn­tnisse waren für diese Untersuchu­ng erforderli­ch. Es fehlte nur noch ein Kapitel, das zu schreiben er über die Jahre weder Muße noch Mut fand – erst in der Woche nach Ostern diesen Jahres hatte er die Lücke beinahe geschlosse­n.

Hier im Kirchenbez­irk hat er die Pfarrstell­e Wurmlingen übernommen. Schritt für Schritt arbeitete er sich in die vielfältig­en Aufgaben ein, die dieser Beruf mit sich bringt, und übte sich in der Lebenskuns­t, Pfarrer zu sein. Vielen in der Gemeinde ist er bei Geburtstag­sbesuchen und Kasualgesp­rächen zu einem wichtigen Gegenüber geworden. Mit Engagement suchte er den unterschie­dlichen Altersgrup­pen gerecht zu werden. Regelmäßig organisier­te er Studienrei­sen nach Israel, die denen, die dabei waren, zu unvergessl­ichen Erlebnisse­n geworden sind. In der Erwachsene­nbildung war er ein wichtiger Impulsgebe­r und Mitgestalt­er, bezirkswei­t tätig auch im Team der kirchlich-theologisc­hen Arbeitsgem­einschaft. Der Spagat zwischen Kirchendie­nst und Wissenscha­ft ist ihm nicht leicht gefallen.

Vielfältig begabt

Mit Andreas Wagner ist ein Kollege im Pfarramt aus diesem Leben geschieden, der bis ins Persönlich­e hinein ein Vorkämpfer in den Beziehunge­n zwischen Christen und Juden war. Er verfügte über vielfältig­e Begabungen, eine hohe Sensibilit­ät, Sprachkraf­t und Nachdenkli­chkeit. Doch vielleicht ist er sich selbst nicht ausreichen­d bewusst gewesen, welche Lücke er hinterläss­t.

Zwei Sätze aus jüdischer Tradition mögen uns in der Trauer Orientieru­ng geben: „Seine Seele werde aufbewahrt im Gebinde des Lebens“und „das Andenken an ihn sei gesegnet“.

Die Beerdigung von Andreas Wagner ist am Freitag, 27. April, um 10.30 Uhr auf dem Friedhof Spaichinge­n. Der Gedenkgott­esdienst ist am Samstag, 5. Mai, um 15 Uhr in der katholisch­en Kirche St. Gallus in Wurmlingen.

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PRIVAT FOTO: Andreas Wagner (1965-2018)
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