Testfeld für fahrerlose Autos
Ab sofort fahren in und um Karlsruhe und Heilbronn autonome Fahrzeuge im Straßenverkehr
KARLSRUHE (dpa/lsw) - In Karlsruhe ist das „Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg“in Betrieb. Es soll an ausgewählten Strecken zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn die Möglichkeiten von fahrerlosen Autos ausloten. Im Vergleich zu anderen Vorhaben in Deutschland umfasst das Projekt zahlreicher Träger alle Arten von öffentlichen Straßen – von der Autobahn über die Landstraße bis zur städtischen Hauptverkehrsachse und Wohnstraße.
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KARLSRUHE - Die Zukunft des Verkehrs beginnt ganz unspektakulär. Ein symbolischer Knopfdruck, dann reiht sich das weiße High-Tech-Auto in den Karlsruher Stadtverkehr ein. Wie alle anderen Fahrzeuge wartet es an der roten Ampel. Der einzige Unterschied: Kein Mensch steuert den Wagen. Das kann das Auto dank ausgeklügelter Technik im Innern und am Straßenrand ganz alleine. Alles funktioniert. Der Mann auf dem Fahrersitz muss nicht eingreifen. Mit dieser Jungfernfahrt ist am Donnerstag in Karlsruhe das „Testfeld autonomes Fahren Baden-Württemberg“in Betrieb gegangen.
Es soll zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn die Möglichkeiten von fahrerlosen Autos ausloten. Das Besondere im Vergleich zu anderen Vorhaben in Deutschland: Das Gemeinschaftsprojekt von Forschungseinrichtungen, Kommunen und Landesregierung umfasst alle Arten von öffentlichen Straßen – von der Autobahn bei Heilbronn über viel befahrene Verkehrsachsen und ruhige Wohnstraßen in Karlsruhe bis hin zur Durchfahrt am Barockschloss Bruchsal.
Robo-Busse für den ÖPNV
Ein Schwerpunkt liegt auf dem öffentlichen Nahverkehr. Der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) als Betreiber des Projektes will dabei auch selbstfahrende Minibusse für den ÖPNV testen. Die ersten könnten schon im kommenden Frühjahr über Karlsruher Straßen fahren, hofft KVV-Geschäftsführer Alexander Pischon. Bis zum Regelbetrieb von ÖPNV-Robo-Bussen dauert es nach seiner Schätzung allerdings noch mindestens drei bis fünf Jahre.
Vor allem die Verknüpfung des Projekts mit dem ÖPNV sowie der überregionale Zuschnitt hätten das Land zum Zuschlag bewegt, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann bei der Eröffnung. Während die Mitbewerber aus Ulm und Stuttgart primär auf die Zusammenarbeit mit großen Autokonzernen gesetzt hatten, können in Karlsruhe auch kleine Unternehmen ihre Systeme und Geschäftsmodelle erproben. Das Testfeld steht nicht nur Autoherstellern, sondern auch Zulieferern, Mobilitätsdienstleistern, Forschungsinstitutionen und der öffentlichen Hand zu Versuchen zur Verfügung.
„Autonomes Fahren heißt für mich: Mobilität neu denken. Der Verkehr soll sauberer und sicherer werden“, sagte Hermann. Der GrünenPolitiker ist deshalb besonders gespannt, welche Wirkungen autonomes Fahren auf den Verkehrsfluss und die Ökologie hat.
Am Geburtstag der Auto-Pionierin Bertha Benz werde damit die Mobilität noch einmal neu erfunden, meinte der stellvertretende Ministerpräsident und für Digitalisierung zuständige Minister Thomas Strobl (CDU). „Das ist ein historischer Moment. In Karlsruhe beginnt heute die Zukunft des autonomen Fahrens.“Baden-Württemberger seien Pioniere bei der Motorenentwicklung gewesen. „Wir wollen und werden Pioniere auch im digitalen Zeitalter sein“, betonte er beim offiziellen Festakt. Vor allem für ältere Menschen biete dies eine große Chance. Sie könnten damit bis ins hohe Alter am Straßenverkehr teilnehmen, hofft Strobl.
Auch die Automobilzulieferer in Baden-Württemberg haben das Projekt sehnlichst erwartet: „Wir brauchen ein reales Testfeld in der Stadt und mit Anbindung an die Region,“so Dieter Rödder, Entwicklungsleiter bei Bosch. Das Land erteilte im Juli 2016 den Zuschlag für das Versuchsprojekt an das Konsortium aus den Städten Karlsruhe und Bruchsal sowie hochrangiger Forschungseinrichtungen: das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft und das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB).
Ideen und technische Möglichkeiten gibt es viele. Nun komme es darauf an, diese im Alltagsverkehr umzusetzen, betonte der Chef des federführenden Forschungszentrums Informatik (FZI), Marius Zöllner.
Nicht ohne Sicherheitsfahrer
Fast alle Redner machten beim Festakt gleichwohl klar, dass es noch große Probleme in Sachen autonomes Fahren zu lösen gilt. So zeigte sich Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup zwar stolz, dass die Stadt „die Grundstruktur“für den Modellversuch zur Verfügung stellt, verwies aber auch ausdrücklich drauf, dass in dem Projekt auch haftungsund versicherungsrechtliche Fragen des autonomen Fahrens zu klären sind.“KIT-Präsident Holger Hanselka nannte viele technische Fragen lösbar, aber „die Einbettung dieses Systems in unsere Gesellschaft wird uns am meisten beschäftigen“. Die Sicherheit wird deshalb groß geschrieben. Und so sitzt auf den Testfahrten neben dem Fahrer auch immer ein weiterer Forscher im Auto, der sich um die Technik kümmert.
Vom mit Video, Radar, Laser und Ultraschallsensoren hochgerüsteten Pkw über den Kleinbus bis zum riesigen Truck – was demnächst auf Südwest-Straßen unterwegs sein könnte, konnte beim Testfeld-Start auf dem KVV-Gelände besichtigt werden. Und mancher, wie Verkehrsminister Hermann, prüfte dabei gleich auch die Tauglichkeit von Robo-Taxis.