Berufung statt Traumjob
Die Generation Z startet in Ausbildung und Studium – In einer Welt des Wandels stellt sich ihr wie keiner zuvor die Frage nach einem sinnvollen, zukunftsfähigen Beruf
Die Welt ist im Wandel – technisch wie politisch. Gut möglich, dass den Abiturienten von heute stürmische Zeiten bevorstehen. Einerseits. Andererseits sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt so gut wie lange nicht. Der wichtigste Tipp daher: Bloß keine Panik!
Es gibt diese eine Frage, die fast alle Abiturienten umtreibt. Und sie hat nichts mit Ruhm bei Instagram zu tun, allen Vorurteilen über diese angeblich so oberflächliche Generation zum Trotz. „Wir erleben das bei der Studienberatung“, sagt Pia Engelhardt vom Professional Center der Universität Köln. „Die eine Frage, die da immer gestellt wird, ist: Was kann ich studieren, was auch in 40 Jahren noch von Bedeutung ist?“
Damit unterscheiden sich die Schulabgänger von heute, auch Generation Z genannt, deutlich von ihren Vorgängern. Sicherheit ist für sie ein wichtiger Wert, Zufriedenheit, der Sinn von Arbeit, das zeigen verschiedene Studien. Und im Mittelpunkt steht weniger die Arbeit selbst – sondern eher das, was nach der Arbeit zu Hause wartet. „Das ist die erste Generation, die in der Kleinkindbetreuung und Ganztagsschulen aufgewachsen ist“, sagt Engelhardt. Umso wichtiger ist ihnen heute der Zusammenhalt in der Familie. Und das ist nur ein Grund dafür, warum die Generation Z so intensiv nach einem sinnvollen, zukunftsfähigen Beruf sucht. Der andere: Sie müssen ihn sehr lange ausüben. Denn selbst wer heute den Master macht, kann mit 23 Jahren schon den ersten richtigen Job antreten. Und wo sein Renteneintrittsalter liegt, lässt sich zwar nur schwer vorhersagen – bei 67 aber vermutlich nicht.
„Heute wissen alle: Man hat eine sehr lange Strecke zu gehen, das war in den 70er-, 80er-Jahren noch anders“, sagt Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. „Vielleicht spielt auch deshalb heute die Work-Life-Balance eine viel größere Rolle.“ Die gute Nachricht: Die Chancen auf einen tollen Job sind gut, richtig gut sogar. „Immer mehr Personalverantwortliche sprechen heute von einem Arbeitnehmermarkt“, sagt Prof. Hilmar Schneider, Chef des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Das heißt: Wo einst die Unternehmen am längeren Hebel saßen, sind es heute die Bewerber. „Die Kandidaten haben heute eine ganz andere Verhandlungsposition als früher.“
Vom massiven Arbeitsmarkt-Boom profitieren
Das hat gleich mehrere Gründe, allen vorweg die Demografie: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen in absehbarer Zeit in den Ruhestand und werden dann jede Menge freie Arbeitsplätze hinterlassen. Hinzu kommt die gute wirtschaftliche Lage. „Deutschland erlebt gerade einen massiven Arbeitsmarkt-Boom“, sagt Schneider. Der muss natürlich nicht ewig halten. Vieles spricht aber dafür, dass zumindest die Abiturienten von heute davon profitieren werden, wenn sie fertig sind.
Die Frage ist nur: Fertig womit? Ausbildung oder Studium? „Der Arbeitsmarkt für Akademiker war noch nie besser als heute“, sagt Engelhardt. „Wir haben unter Akademikern eine Arbeitslosenquote von etwa 2,4 Prozent, das ist praktisch nichts.“Und auf dem Ausbildungsmarkt sieht es kaum schlechter aus – dafür spricht schon der gewaltige Fachkräftemangel, über den viele Unternehmen stöhnen. Dementsprechend verläuft die Trennlinie bei den Arbeitsmarktchancen nicht zwischen Akademikern und Azubis, sondern eher zwischen den Fächern und Fachrichtungen. „Natürlich gibt es Berufe, die gerade gefragter sind als andere und wohl auch in Zukunft gefragter sein werden“, sagt Engelhardt – Ingenieure zum Beispiel oder Informatiker.
Absolventen mit weniger heiß begehrten Abschlüssen stehen deswegen aber nicht auf der Straße. Der Unterschied liegt eher in der Länge der Jobsuche. „Bei Geisteswissenschaftlern mag das ein paar Monate dauern, Informatiker bekommen schon während der Masterarbeit entsprechende Angebote, überspitzt gesagt“, so Engelhardt. Also Jobs für alle und keine Probleme? Nicht ganz – ein paar Fallstricke gibt es schon. So sind unbezahlte Praktika zum Jobeinstieg heute zwar überwunden. Stattdessen gibt es aber oft Trainee-Programme, die nicht immer gut bezahlt und strukturiert sind. Und ein Job für die Ewigkeit ist die erste Stelle meist nicht: „Der Einstieg ist heute häufiger durch Unsicherheit geprägt, dadurch, dass es zu Anfang oft erst einmal Befristungen gibt“, sagt Ulrich Walwei.
Allerdings rät der Arbeitsmarktforscher jungen Leuten ohnehin, zu Beginn nicht auf die vermeintliche Sicherheit der unbefristeten Stelle zu schauen – sondern eher darauf, was der erste Job für die Zukunft bringt. „Die Beschäftigungsfähigkeit ist heute wichtiger als die Frage, welcher Beruf genau vor Jahren einmal erlernt wurde“, sagt er. Entscheidend ist also nicht, was man gelernt hat – sondern was man in Zukunft noch dazulernt.
„Fast noch wichtiger als die Hard Skills sind die Soft Skills“, sagt auch Engelhardt. Anders gesagt: Wer auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich sein will, muss flexibel bleiben und den Blick über den Tellerrand zur Gewohnheit machen. „Man kann heute nicht mehr die stringente Karriere machen, die unsere Väter noch gemacht haben. Man muss bereit sein, nach links und rechts zu gucken.“
Der Experte rät: Getrost der eigenen Nase folgen
Was bedeutet das für das Sicherheitsbedürfnis der Generation Z? Einerseits, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt – weil der erste Job ohnehin nicht der letzte sein wird und keine Kristallkugel wirklich zuverlässig arbeitet. Andererseits heißt es aber auch, dass Generation Z getrost der eigenen Nase folgen darf. „Ich kann den Abiturienten und Absolventen heute nur raten, unabhängig von den Anforderungen des Arbeitsmarkts den eigenen Interessen zu folgen, die eigene Berufung zu finden“, sagt Engelhardt. So haben sie eher Spaß an ihrer Arbeit – auch in 40 Jahren noch.