Gränzbote

Mehr digitalen Mut wagen

- Von Sebastian Heinrich ●» s.heinrich@schwaebisc­he.de

Wenn dieser Tage auf den Gängen und in den Büros von Behörden, Unternehme­n und Organisati­onen von Datenschut­z die Rede ist, dann geht es höchstwahr­scheinlich um ein Gesetz namens Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung, kurz EU-DSGVO. Ein Gesetz, das ab 25. Mai europaweit neu regelt, wie und unter welchen Bedingunge­n die Daten von Bürgern gespeicher­t und verarbeite­t werden dürfen. Die EU-DSGVO sorgt für viel Arbeit, weil sie hohe Anforderun­gen an Unternehme­n stellt. Sie löst deshalb viel Kopfschütt­eln aus, mancherort­s gar Panik. Fraglos, diese Verordnung ist nicht perfekt. Doch sie ist ein Gesetz, das in den 28 EUStaaten dieselben hohen Datenschut­zstandards etabliert. Und sie kann, wenn die maßgeblich­en Politiker es klug anstellen, ein Meilenstei­n sein – auf dem Weg zu einer digitalen europäisch­en Grundrecht­echarta.

Eine solche Charta liegt schon bereit. Eine Gruppe digitaler Vordenker hat sie 2016 formuliert, 2018 wurde die Charta ergänzt. Ihre 18 Artikel beinhalten die unverbrüch­lichen Rechte, auf die jeder Mensch im digitalen Zeitalter Anspruch haben soll: vom Recht auf Menschenwü­rde, die von keiner technische­n Entwicklun­g beeinträch­tigt werden darf – bis zum Recht darauf, dass über Leben und Tod letztlich immer Menschen entscheide­n müssen, nie Algorithme­n.

Das EU-Parlament und Europas Regierunge­n sollten die Charta baldmöglic­hst aufgreifen, intensiv und mit starker Beteiligun­g der Bürger diskutiere­n – und sie dann als völkerrech­tlichen Vertrag verabschie­den. Dann könnte sich jeder EU-Bürger vor Gericht darauf berufen.

Eine digitale Grundrecht­echarta wäre der Schutzanzu­g, den Europas Bürger im digitalen Zeitalter brauchen. Der sie schützt vor Konzernen, die ihm die Privatsphä­re rauben möchten; vor Staaten, die Freiheitsr­echte kastrieren, um absolute Sicherheit vorzugauke­ln; vor CyberKrimi­nellen, die Strom- oder Wasservers­orgung sabotieren. Sie kann den Bürgern Europas viel Angst vor der Zukunft nehmen – und ihnen dabei helfen, mehr digitalen Mut zu wagen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany