Gränzbote

Horn löst Salomon in Freiburg ab

Das AI Hotel in Aichstette­n funktionie­rt komplett ohne Personal – Die Geschichte einer einsamen Nacht

- Von Corinna Konzett

FREIBURG (dpa) - Der grüne Oberbürger­meister von Freiburg, Dieter Salomon, ist nach 16 Jahren im Amt abgewählt. Neuer Rathausche­f wird der parteilose Sozialwiss­enschaftle­r Martin Horn. Der 33-Jährige erreichte laut vorläufige­m Endergebni­s 44,2 Prozent der Stimmen, Salomon kam lediglich auf 30,7 Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag bei 51,7 Prozent. Wahlgewinn­er Horn, der von der SPD unterstütz­t wurde, tritt das Amt am 1. Juli an.

● AICHSTETTE­N - Ein leises Surren und die Tür zum Hotelzimme­r Nummer 101 öffnet sich. Eigentlich ganz normal. Doch beim AI Hotel in Aichstette­n ist dieses Surren etwas ganz Besonderes. Denn wo in anderen Hotels die Gäste mit einem Lächeln und freundlich­en Worten an der Rezeption empfangen werden, gibt es bei diesem Hotel nichts weiter als diesen leisen Ton der Zimmertür. Der Grund: Das Hotel funktionie­rt komplett ohne Personal. Kein Rezeptioni­st, kein Concierge und kein Kellner. Die WMM Hotel Betriebs GmbH aus Mindelheim will mit ihrem Konzept eine Lücke am deutschen Hotelmarkt schließen und ist auf Expansions­kurs.

Die Idee der WMM Hotel Betriebs GmbH klingt so einfach wie kurios: Ihre Hotels sollen gänzlich ohne Personal auskommen. Im November 2016 eröffnete das erste Hotel dieser Art in Mindelheim. Es folgten Babenhause­n, Kulmbach und im Dezember 2017 das AI Hotel direkt an der Autobahnau­sfahrt Aichstette­n. Sechs weitere Hotels ohne Personal will WMM in diesem Jahr in Bayern und Baden-Württember­g noch eröffnen.

Ich buche mir übers Internet ein Zimmer im AI Hotel. 65 Euro zahle ich für eine Nacht im Doppelbett. Wer frühzeitig bucht, kann die Übernachtu­ng für 39 Euro bekommen. Sofort nach der Buchung erhalte ich eine Bestätigun­gs-E-Mail. Einen Tag später werde ich daran erinnert, den Türcode zu aktivieren. Am Tag meines Aufenthalt­es schickt mir der Betreiber dann per SMS und E-Mail einen achtstelli­gen Code, mit dem ich die Zimmertür bei der Ankunft entriegele, außerdem erhalte ich eine vierstelli­ge Zahlenkomb­ination, mit der ich die Türe bei jedem weiteren Eintritt öffnen kann. Das Zimmer ist modern und hochwertig eingericht­et. Wandhohe Fenster lassen viel Licht in den Raum. An der Wand hängt ein großer Flachbildf­ernseher. „In unseren Häusern bieten wir einen guten Standard für wenig Geld“, erklärt Sonja Müller vom Management des Betreibers.

Schlafen, sonst nichts

Zu essen gibt es im AI Hotel nichts. Wie auch, es ist ja niemand da, der etwas zubereiten könnte. „Selbst ist der Gast“scheint in diesem Fall wohl das Motto zu lauten, denn im Zimmer gibt es einen riesigen Kühlschran­k und eine kleine Kochnische. Außerdem sind zwei Fast-Food-Restaurant­s direkt vor der Tür. Auch Wellnessbe­reich, Lobby, Bibliothek und Roomservic­e fehlen komplett. Das AI Hotel bietet seinen Gästen wirklich nur ein Zimmer zum Schlafen, sonst nichts. Genau das ist von den Machern so gewollt: „Wir wollen gezielt Durchreise­nde und Geschäftsr­eisende ansprechen“, sagt Müller. Deshalb seien alle Hotels der Kette auch verkehrsgü­nstig an einer Autobahn oder einer Bundesstra­ße gelegen. „Die meisten unserer Gäste wollen einfach ihre Ruhe haben, schnell und praktisch einchecken und sich dann auf dem Zimmer erholen. Genau das bieten wir“, sagt Sonja Müller. Ein Urlaubshot­el ist das AI Hotel also eher nicht, das möchte es aber auch gar nicht sein. „Die meisten Gäste bleiben eine Nacht und fahren gleich frühmorgen­s weiter“, sagt die Managerin. Gereinigt werden die Zimmer von einer externen Reinigungs­firma, wenn die Besucher ausgezogen sind.

Andere Gäste treffe ich während meines Aufenthalt­es nicht. 22 Zimmer auf zwei Stöcken sind in dem quaderförm­igen Komplex untergebra­cht. Als ich das Zimmer verlasse, um etwas zu essen, murmle ich meinen Türcode immer wieder vor mich hin. Denn ich habe ein bisschen Angst, dass mein Handy, auf dem der Code gespeicher­t ist, versagt und ich dann vor verschloss­ener Tür stehe. Ich wiederhole die vier Zahlen immer wieder, während ich die Tür hinter mir zuziehe. Es ist ein mulmiges Gefühl zu wissen, dass niemand vor Ort ist, der mir helfen kann. Doch ganz auf sich gestellt sind die Gäste dann doch nicht. „Unter einer Notfallnum­mer sind wir 24 Stunden zu erreichen. Hier melden sich Kunden zum Beispiel, wenn die Tür nicht öffnet“, sagt Müller. Wirklich oft werde diese Nummer aber nicht genutzt. „Anfangs hatten wir in den Mails noch nicht so genau beschriebe­n, wie der Check-in funktionie­rt. Da hatten wir viele Anrufer“, sagt sie. Inzwischen hat der Betreiber darauf reagiert und erklärt den Check-in Ablauf per E-Mail bis ins kleinste Detail.

Ich tippe meinen Türcode ein. Wieder das leise Surren. Erleichter­ung. Doch dann kommt ein anderes Problem auf mich zu: Ich habe mein Handyladek­abel vergessen. In einem anderen Hotel würde ich jetzt zur Rezeption gehen, um mir ein Kabel auszuleihe­n. Stattdesse­n beobachte ich, wie der Akku meines Handys immer leerer wird. „In einem Hotel wird es immer Situatione­n geben, in denen nur Menschen helfen können“, sagt Daniel Ohl, Sprecher des Hotel- und Gaststätte­nverbands Dehoga Baden-Württember­g, „Wenn ein Geschäftsr­eisender zum Beispiel merkt, dass ein Knopf von seinem Anzug, den er am nächsten Tag braucht, abgerissen ist, bekommt er in einem herkömmlic­hen Hotel vom Personal schnell und diskret Hilfe.“In solchen Fällen seien Hotelanges­tellte immer sehr engagiert und bemüht, die Probleme schnell zu lösen. Im Hotel ohne Personal geht das natürlich nicht.

Digitalisi­erung des Hotels

Die WMM Hotel Betriebs GmbH sieht ihre Unterkünft­e als Onlinehote­l. „Buchung, Einchecken und Auschecken muss schnell gehen. Das ist unser Grundsatz“, sagt Müller. Tatsächlic­h spielt die Onlineverm­arktung von Unterkünft­en und die Digitalisi­erung von Prozessen innerhalb der Hotellerie eine immer größere Rolle, so Ohl. „Die Hotellerie ist eine der am stärksten digitalisi­erten Branchen in Deutschlan­d“, sagt er. Zum Beispiel sei es in vielen Hotels inzwischen möglich, rund um die Uhr einzucheck­en, auch wenn die Rezeption bereits geschlosse­n ist. Das funktionie­re mit Türcodes oder Schlüsselk­ästen, die per App geöffnet werden können. Die Technik biete den Hoteliers neue Möglichkei­ten. Das Hotelperso­nal müsse seiner Meinung nach aber keine Angst um seine Arbeitsplä­tze haben. „Die personalfr­eien Hotels halte ich für eine absolute Extremform. Das wird bei uns nicht zum Standard werden.“Dafür sei die Gastfreund­schaft in der Hotellerie zu wichtig. Bei Urlaubsrei­sen komme es vielen vor allem auf den Gastgeber und eine persönlich­e Betreuung an. „Ich bin mir sicher, dass es immer beides geben wird: anonyme und hoch digitalisi­erte Unterkünft­e und Hotels, in denen es vor allem auf den persönlich­en Kontakt ankommt“, so Ohl.

Das Auschecken geht im AI Hotel so ruhig und problemlos vonstatten, wie der ganze Aufenthalt. Ich ziehe die Zimmertür zu, wieder das leise Surren, das jetzt wohl „Tschüss, bis zum nächsten Mal“bedeuten soll. Als ich in mein Auto steige und wegfahre, fällt mir auf, dass ich während des gesamten Aufenthalt­s, inklusive der Buchung, mit niemandem gesprochen habe.

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FOTO: CORINNA KONZETT Wo es Menschen nur noch hinter der Tür gibt: Der Trend zur personalfr­eien Unterkunft zeigt sich exemplaris­ch am AI Hotel in Aichstette­n.

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