Die Batteriezellen-Frage
Die Dringlichkeit einer eigenen Produktion beurteilen Politik und Autoindustrie verschieden
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BERLIN - Die bundesdeutschen Autohersteller kämen nicht auf die Idee, die Produktion ihrer Motoren jemand anderem zu überlassen. Die Kerntechnologie wollen sie selbst beherrschen und herstellen, schließlich kann man mit ihr viel Geld verdienen. Umso erstaunlicher erscheint die entspannte Haltung von BMW, Daimler und VW, wenn es um die Fertigung von Batteriezellen für Elektroautos geht. Die lässt sich die deutsche Industrie gerne von asiatischen Produzenten zuliefern.
Darüber, ob das eine gute Strategie ist, gehen die Meinungen auseinander. Sind die Stromspeicher für die Elektrofahrzeuge und die Hersteller wirklich wichtig, sollte es deshalb eine Produktion in Europa geben? „Eher nein“, sagen die Fahrzeugkonzerne und großen Zulieferer. „Ja“, erklären dagegen die Bundesregierung und die Gewerkschaft IG Metall.
Heute sieht die Lage so aus: BMW, Daimler und VW betreiben Labors und Fabriken, um die Zelltechnologie zu erforschen, technische Fortschritte zu verstehen und die eingekauften Zellen zu Batterie-Paketen zu verarbeiten. Die Zellen, die den Strom speichern und mithin über die Reichweite der Fahrzeuge entscheiden, kaufen sie jedoch in Asien. Die Herstellung „ist nicht unsere Kernkompetenz, das können andere besser“, erklärte der unlängst abgelöste VW-Chef Matthias Müller.
Ähnlich bei den großen, heimischen Automobil-Zulieferern: Bosch hat gerade beschlossen, keine Batteriezellenfabrik zu bauen. Diese koste 20 Milliarden Euro – zu teuer, zu risikoreich. Continental überlegt noch, will jedoch erst in einigen Jahren entscheiden. Daneben versucht das Firmen-Konsortium TerraE, eine Produktion vorzubereiten. Was daraus wird, muss sich zeigen. Vorläufig also teilen die asiatischen Produzenten, darunter Panasonic aus Japan, LG aus Südkorea sowie BYD und CATL aus China, den Markt unter sich auf.
Zu den stärksten Kritikern dieser Strategie gehört die IG Metall. „Die Fertigung von Batteriezellen ist entscheidend, um im globalen Wettlauf um die Technologieführerschaft in der Autoindustrie nicht ins Hintertreffen zu geraten“, sagt Gewerkschaftschef Jörg Hofmann. Er macht sich vor allem Sorgen um die Arbeitsplätze. Sowieso stehen Hunderttausende auf dem Spiel, weil in Elektroautos viel weniger Einzelteile verbaut werden als in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Zusätzliche Stellen könnten in Gefahr geraten, wenn Teile der ElektromotorenTechnik nach Asien abwandern.
EU plant Förderprogramm
Auch die Bundesregierung hegt diese Befürchtung. Deshalb will Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Aufbau einer Zellfertigung in Deutschland und Europa unterstützen. Die EU plant ein entsprechendes Programm. Die wesentliche Initiative müsse freilich aus der Wirtschaft kommen, betont Altmaier. So besteht die Gefahr, dass doch nichts passiert.
Aber haben Politik und Gewerkschaft überhaupt recht, wenn sie die zentrale Rolle der Batteriezellen herausstellen? Eine Fahrzeugbatterie mit 60 Kilowattstunden Leistung, die für einen Mittelklassewagen ausreiche, „wird in 2020 für runde 6000 Euro zu erhalten sein“, erklärt Matthias Vetter vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg (ISE). Größenordnungsmäßig 15 bis 20 Prozent des Verkaufspreises des ganzen Autos entfallen damit auf die Energiespeicher. Können PkwHersteller auf diesen Anteil verzichten? „Ja“, meint Vetter, „eine erfolgreiche Produktion von E-Autos erscheint grundsätzlich möglich, auch ohne dass die Markenhersteller die Zellen selbst fertigen.“
Allerdings spricht er einen anderen Punkt an. „Das größte Risiko dürfte in einer großen Abhängigkeit von internationalen Zell-Lieferanten bestehen“, sagt Vetter. Wenn die Zellfertigung komplett in ausländischer Hand liegt, können diese Hersteller die Mengen und Preise bestimmen. Bei politischen Turbulenzen besteht dann die Gefahr, dass Containerschiffe die europäischen Häfen zu spät erreichen und die Autohersteller die Produktion stoppen müssen. „Wirtschaftspolitisch wäre es deshalb wünschenswert, wenn es in der EU eine Fertigung von Batteriezellen gäbe, die zumindest auch teilweise unter dem Einfluss europäischer Eigentümer steht.“