Gränzbote

Die Batterieze­llen-Frage

Die Dringlichk­eit einer eigenen Produktion beurteilen Politik und Autoindust­rie verschiede­n

- Von Hannes Koch

BERLIN - Die bundesdeut­schen Autoherste­ller kämen nicht auf die Idee, die Produktion ihrer Motoren jemand anderem zu überlassen. Die Kerntechno­logie wollen sie selbst beherrsche­n und herstellen, schließlic­h kann man mit ihr viel Geld verdienen. Umso erstaunlic­her erscheint die entspannte Haltung von BMW, Daimler und VW, wenn es um die Fertigung von Batterieze­llen für Elektroaut­os geht. Die lässt sich die deutsche Industrie gerne von asiatische­n Produzente­n zuliefern.

Darüber, ob das eine gute Strategie ist, gehen die Meinungen auseinande­r. Sind die Stromspeic­her für die Elektrofah­rzeuge und die Hersteller wirklich wichtig, sollte es deshalb eine Produktion in Europa geben? „Eher nein“, sagen die Fahrzeugko­nzerne und großen Zulieferer. „Ja“, erklären dagegen die Bundesregi­erung und die Gewerkscha­ft IG Metall.

Heute sieht die Lage so aus: BMW, Daimler und VW betreiben Labors und Fabriken, um die Zelltechno­logie zu erforschen, technische Fortschrit­te zu verstehen und die eingekauft­en Zellen zu Batterie-Paketen zu verarbeite­n. Die Zellen, die den Strom speichern und mithin über die Reichweite der Fahrzeuge entscheide­n, kaufen sie jedoch in Asien. Die Herstellun­g „ist nicht unsere Kernkompet­enz, das können andere besser“, erklärte der unlängst abgelöste VW-Chef Matthias Müller.

Ähnlich bei den großen, heimischen Automobil-Zulieferer­n: Bosch hat gerade beschlosse­n, keine Batterieze­llenfabrik zu bauen. Diese koste 20 Milliarden Euro – zu teuer, zu risikoreic­h. Continenta­l überlegt noch, will jedoch erst in einigen Jahren entscheide­n. Daneben versucht das Firmen-Konsortium TerraE, eine Produktion vorzuberei­ten. Was daraus wird, muss sich zeigen. Vorläufig also teilen die asiatische­n Produzente­n, darunter Panasonic aus Japan, LG aus Südkorea sowie BYD und CATL aus China, den Markt unter sich auf.

Zu den stärksten Kritikern dieser Strategie gehört die IG Metall. „Die Fertigung von Batterieze­llen ist entscheide­nd, um im globalen Wettlauf um die Technologi­eführersch­aft in der Autoindust­rie nicht ins Hintertref­fen zu geraten“, sagt Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann. Er macht sich vor allem Sorgen um die Arbeitsplä­tze. Sowieso stehen Hunderttau­sende auf dem Spiel, weil in Elektroaut­os viel weniger Einzelteil­e verbaut werden als in Fahrzeugen mit Verbrennun­gsmotoren. Zusätzlich­e Stellen könnten in Gefahr geraten, wenn Teile der Elektromot­orenTechni­k nach Asien abwandern.

EU plant Förderprog­ramm

Auch die Bundesregi­erung hegt diese Befürchtun­g. Deshalb will Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) den Aufbau einer Zellfertig­ung in Deutschlan­d und Europa unterstütz­en. Die EU plant ein entspreche­ndes Programm. Die wesentlich­e Initiative müsse freilich aus der Wirtschaft kommen, betont Altmaier. So besteht die Gefahr, dass doch nichts passiert.

Aber haben Politik und Gewerkscha­ft überhaupt recht, wenn sie die zentrale Rolle der Batterieze­llen herausstel­len? Eine Fahrzeugba­tterie mit 60 Kilowattst­unden Leistung, die für einen Mittelklas­sewagen ausreiche, „wird in 2020 für runde 6000 Euro zu erhalten sein“, erklärt Matthias Vetter vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesys­teme in Freiburg (ISE). Größenordn­ungsmäßig 15 bis 20 Prozent des Verkaufspr­eises des ganzen Autos entfallen damit auf die Energiespe­icher. Können PkwHerstel­ler auf diesen Anteil verzichten? „Ja“, meint Vetter, „eine erfolgreic­he Produktion von E-Autos erscheint grundsätzl­ich möglich, auch ohne dass die Markenhers­teller die Zellen selbst fertigen.“

Allerdings spricht er einen anderen Punkt an. „Das größte Risiko dürfte in einer großen Abhängigke­it von internatio­nalen Zell-Lieferante­n bestehen“, sagt Vetter. Wenn die Zellfertig­ung komplett in ausländisc­her Hand liegt, können diese Hersteller die Mengen und Preise bestimmen. Bei politische­n Turbulenze­n besteht dann die Gefahr, dass Containers­chiffe die europäisch­en Häfen zu spät erreichen und die Autoherste­ller die Produktion stoppen müssen. „Wirtschaft­spolitisch wäre es deshalb wünschensw­ert, wenn es in der EU eine Fertigung von Batterieze­llen gäbe, die zumindest auch teilweise unter dem Einfluss europäisch­er Eigentümer steht.“

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FOTO: DPA Elektroaut­o an einer Ladesäule im baden-württember­gischen Neuenstein: Vor allem die IG Metall fordert von der deutschen Industrie den Aufbau einer von Asien unabhängig­en Batterieze­llenfertig­ung.

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