Pfützen ins Auge setzen
Galerie der Sparkassenstiftung pro arte präsentiert in Biberach Werke von Lothar Quinte
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BIBERACH - In der Galerie der Sparkassenstiftung pro arte in Biberach ist bis 29. Juni eine Ausstellung mit 21 Arbeiten des Malers Lothar Quinte (1923-2000) zu sehen. Große Formate, Eitempera oder Acryl auf Leinwand oder Japanpapier lenken den Blick auf einen heute weniger bekannten Protagonisten der Avantgarde der 1960er-Jahre. Seit 2017 in Kirchheim eine größere Quinte-Ausstellung, kuratiert von Tobias Wall, stattgefunden hatte, stand für Kustodin Barbara Renftle fest, dass auch in Biberach das Werk dieses Künstlers gezeigt werden sollte, zumal die pro-arte-Stiftung zwei große Arbeiten von Quinte besitzt.
Umfassende Präsentation
Durch den guten Kontakt zu den Erben und zu Helgard Müller-Jensen, geb. Rottloff, der zweiten Ehefrau von Quinte und Galeristin in Karlsruhe, sind fast alle hier zu sehenden Arbeiten Leihgaben aus dem Nachlass des Künstlers, der ab 1969 in Wintzenbach/Elsass lebte. So bietet die Ausstellung eine Retrospektive
auf fünf Jahrzehnte Malerei des in Oberschlesien geborenen und in Leipzig aufgewachsenen Lothar Quinte, der dort eine Malerlehre machte. Nach dem Kriegsdienst bei der Luftwaffe und Gefangenschaft ging er auf die Kunstschule Kloster Bernstein bei Sulz am Neckar, wo er 1946-1951 von HAP Grieshaber Unterricht erhielt.
Schon früh allerdings suchte er sich von diesen überstarken Vorbildern zu befreien, wie Kunsthistoriker Tobias Wall in seiner Einführung betonte. Der Künstler sei einer „von gestern“, in dem Sinne, dass heute „kein Werk mehr aus den Schicksalskräften des 20. Jahrhunderts“so stark schöpfen könne. Dem humorbegabten Quinte ging es nach eigenen Worten darum, „das miese Sehen der Zeit“der 1950er-Jahre zu verändern, indem er „eine Pfütze ins Auge setzen“wollte.
An den Arbeiten in Biberach lassen sich die verschiedenen Werkphasen gut ablesen: Die allererste erscheint mit einem pulsierenden Pinselstrichknäuel in Hellrot von 1958, eine zweite aus der ersten Hälfte der Sechzigerjahre zeigt grau-schwarze Gitter („Fensterbilder“) in einer komplexen Struktur verschränkt wie ein Karostoff und sowohl auf Leinwand wie auf zartem Japanpapier gemalt. Gleich neben dem Eingang ist ein Beispiel für eine weitere Werkgruppe zu erleben: Im „Schlitzbild Diagonal“von 1964 (Eitempera/Lw.) wölbt sich gleichsam eine breite Diagonale mit einem weißen Kern, umgeben von verschiedenen Rotabstufungen, aus dem schwarzen Grund heraus, einzelne Streifen drängen sich leicht erhaben vor die nur schwach grundierte und somit noch sichtbare Leinwandstruktur.
Zwei weitere Arbeiten in Rosa und Blau (1969) und in Türkis und Rot (1971) spielen – verhalten und dekorativ – mit den wechselnden Volumina der Streifen und erinnern ein wenig an Vasarely. Faszinierend ist in seiner überwältigenden technischen Perfektion das „ZET Triptychon“von 1970 in Acryl. Wie eine auf- und absteigende Leuchtfarbe wandern vier blaue und rote vertikale Streifen durch den schwarzen, von feinsten dunkelgrauen Linien radial durchzogenen Grund – eine mehrfache, über das Bild hinausweisende spannende Bewegung.
Meditationsbilder erwarten den Betrachter im Kabinett mit Arbeiten auf Japanpapier und in abgedunkelten Farben aus den 1980er- und 1990erJahren. Große Farbflächen, vom oberen Rand ausgehend, vermischen sich zum Inneren hin zu einer Farbmaterie, die auf dem taktilen Material konturlos zu schweben scheint. Ein synästhetischer Titel wie „Blauer Gong“vermittelt zudem ein in der Haptik des Japanpapiers liegendes, ähnlich natürliches Zittern.
Bis zum 29. Juni in der Galerie der Sparkassenstiftung, Bismarckring 66, Biberach, geöffnet Di, Do und Fr von 13 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung (Telefon 07351 / 570 - 3319).