Gränzbote

Schüsse trafen Dario aus 50 Zentimeter­n

Prozess um Dreifachmo­rd: Zeugen berichten über die Gefährlich­keit von Drazen D.

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Drazen D., der sich für den Dreifachmo­rd von Villingend­orf verantwort­en muss, war und ist eine wandelnde Zeitbombe. Dieser Eindruck verfestigt sich im Prozess vor dem Landgerich­t Rottweil jeden Tag mehr. Sogar im Gefängnis ist er gefürchtet.

Die stellvertr­etende Leiterin der Justizvoll­zugsanstal­t Offenburg, wo der 41-Jährige einsitzt, berichtete am Mittwoch als Zeugin, Drazen D. sei bereits Anfang April in einen besonders gesicherte­n Haftraum verlegt worden. Das hätten mehrere Anlässe erfordert: zum einen Drohungen gegenüber dem bisherigen Zellengeno­ssen, zum anderen Äußerungen über einen Suizid.

„Du bist mein Babysitter, bevor ich mich umbringe, muss ich erst Dich umbringen“, habe D. zu seinem Mithäftlin­g gesagt und dabei mit einer manipulier­ten Rasierklin­ge herumhanti­ert, erklärte die Beamtin. Auf Vorhalt habe er die Aussage als „Scherz“abgetan: Eigentlich gehe es ihm darum, allein in einer Zelle zu sein, weil ihn der Prozess sehr belaste und er den Tränen freien Lauf lassen wolle. „Bei mir sind drei Menschen gestorben, das muss ich verarbeite­n“, sagte Drazen D. nach Angaben der Zeugin.

Angeklagte­r zeigt bei Gericht kaum eine Regung

Vor Gericht ist davon so gut wie nichts zu sehen. Der Angeklagte macht keinerlei Angaben, sitzt meist äußerlich entspannt auf der Anklageban­k, auch wenn die Fakten noch so grauenvoll sind.

Am Mittwoch, dem zehnten Verhandlun­gstag, berichtete ein Kriminalte­chniker, dass Dario, der sechsjähri­ge Sohn von Drazen D, mit „Nahschüsse­n aus 50 Zentimeter­n Entfernung“getötet wurde, dass er mit „Einschussl­öchern im Bauch in einer Blutlache lag“, dass der Täter noch einmal auf ihn am Boden liegend geschossen habe. Man muss schon genau hinschauen, um eine Regung bei Drazen D. zu entdecken: Er hielt, wie immer, wenn der innere Druck zu groß wird, die Hand vors Gesicht.

Wie gefährlich und zeitweilig unheimlich er ist, schildern Zeugen reihenweis­e. Die Cousine seiner ExFrau berichtete von einem Familienfe­st in Kroatien, als Drazen D. angetrunke­n in großer Runde erzählt habe, er liebe es, wenn er Blut sehe und wenn er sich schneide, lecke er sein Blut immer ab.

„Alle hatten Angst vor ihm, auch sein Vater“, sagte die Frau. Trotzdem ließ sie ihn einmal bei sich in Bayern übernachte­n. Warum, blieb ein Rätsel: „Ich dachte, diese Nacht überlebe ich womöglich nicht.“Auf die Frage, warum sie nicht zur Polizei gegangen sei, antwortete sie: „Das hätte einem doch keiner geglaubt, solange nichts passiert.“Die Ex-Frau von Drazen D, erklärte, sie habe ihm die Tat von Villingend­orf zugetraut: „Ich habe immer gesagt, dass er gefährlich ist. Einer, der stundenlan­g auf eine Frau am Boden einschlägt, der kann auch sowas machen.“

Angeklagte­r sagt nun einer medizinisc­hen Untersuchu­ng zu

Ein Bekannter aus der Schweiz weigerte sich nach Rottweil zu kommen – offenbar ebenfalls aus Angst. „Er ist ein Psychopath“, ließ er ausrichten.

Das soll jetzt genau untersucht werden. Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, zeigte sich am Donnerstag offen gegenüber dem Antrag der Verteidige­r nach einer ergänzende­n Untersuchn­ung, um zu beweisen, dass Drazen D. an einer „hirnorgani­schen Störung“leide. Bisher hatte der strikt abgelehnt, sich einem MRT (Kernspinto­mographie) zu unterziehe­n. Jetzt sei er dazu bereit, erklärte sein Anwalt Bernhard Mussgnug am Mittwoch.

Gleichzeit­ig sagte er die Bereitscha­ft seines Mandanten zu einer Aussage über seine Kindheit und Jugend sowie zur Rekonstruk­tion des Fluchtwegs zu. Da wunderte sich Richter Münzer, weil der Angeklagte bisher vor Gericht die Aussage verweigere, gleichzeit­ig aber bereit sei, in einem Einzelaspe­kt gegenüber der Polizei auszusagen. Er betonte aber, rechtlich sei das zulässig. Auf Ablehnung bei den beiden Verteidige­rn stieß der Versuch, das Video von der Vernehmung des geständige­n Drazen D. kurz nach der Tat zu zeigen.

Der Prozess wird am heutigen Donnerstag um 9 Uhr fortgesetz­t.

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FOTO: DH Der Prozess über den Dreifachmo­rd von Villingend­orf wird am heutigen Donnerstag fortgesetz­t.

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