Gränzbote

Wider die Folklore

- Von Dirk Grupe ●» d.grupe@schwäbisch­e.de

Es kommt naturgemäß nie vor, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel sich in ihrer Haushaltsr­ede einem Insekt widmet. So geschehen aber diese Woche, als die CDU-Politikeri­n im Bundestag sagte: „Bienen stehen Pars pro Toto für das, was wir unter Artenvielf­alt verstehen.“Diese sei vielerorts bedroht, daher sollten alle den Weltbienen­tag am Sonntag nutzen, um an die Artenvielf­alt zu denken.

Nur Ignoranten werden behaupten, die Kanzlerin oder die Vereinten Nationen (die UN haben den Weltbienen­tag ins Leben gerufen) hängen das Thema zu hoch. Im Gegenteil: Weltweit sind mehr als 85 Prozent der Wild- und Kulturpfla­nzen von der Bestäubung­sleistung abhängig, der wirtschaft­liche Nutzen wird global mit jährlich bis zu 500 Milliarden Euro beziffert. Das Thema ist also existenzie­ll. Erfreulich daher das Verbot von bienenschä­dlichen Insektizid­en, das ein EU-Gericht diese Woche bestätigt hat. Erfreulich auch das weltweite Interesse an dem Thema. Und erfreulich die Ankündigun­g von Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) zu einem Bienenakti­onsplan. Was darin stehen wird, weiß aber noch niemand. Spätestens hier drohen Probleme.

Die Biene ist längst ein romantisie­rtes Identifika­tionsobjek­t geworden, das zuckersüße­n Honig verspricht und für das Gute, aber Gefährdete in der Welt steht – mit dem sich prima Symbolpoli­tik machen lässt. Von daher ist Klöckners Aufforderu­ng, Gärten und Balkone bienenfreu­ndlich zu gestalten, gut gemeint, aber auch naiv. Denn gefragt ist vor allem die Ministerin selber sowie die Politik insgesamt. Sie muss weiter gegen Insektizid­e und Überdüngun­g vorgehen, Monokultur­en bekämpfen, auf Blühstreif­en an Ackerrände­rn genauso drängen wie auf eine artgerecht­e Gestaltung der Obstkultur­en. All dies muss sie gegen den massiven Widerstand von Lobbyisten tun. Und nicht zuletzt braucht es eine seriöse Datenlage, denn das Ausmaß des Bienenster­bens – wenn die Bezeichnun­g überhaupt zutrifft – steht noch gar nicht fest. Erst wenn all dies geschieht, verdient ein Aktionspla­n seinen Namen und verkümmert nicht zu einer „Biene Maja“-Folklore.

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