„Die Lage ist dramatisch“
Grünen-Fraktionsvize Krischer spricht darüber, wie den Bienen jetzt noch zu helfen ist
BERLIN - Am Sonntag ist Weltbienentag. Gibt es da überhaupt etwas zu feiern, angesichts dramatischer Zahlen zum weltweiten Bienensterben? Tobias Schmidt hat sich mit Oliver Krischer unterhalten, VizeFraktionschef der Grünen und Imker der drei Bienenvölker im Bundestag.
Herr Krischer, am morgigen Sonntag wird der erste Weltbienentag gefeiert. Was steht für die Bundestagsbienen auf dem Programm?
Es wird warm und sonnig. Da wird das ganze Volk auf Achse sein und über die Reichstagswiese in den Tiergarten ausschwärmen. Die Parlamentsbienen werden bei den Robinien fleißig Pollen und Nektar sammeln. Unseren Bienen geht es hervorragend. Seit Bärbel Höhn vor drei Jahren den ersten Bienenstock im Hof des Paul-Löbe-Hauses aufgestellt hat, um die Honigbiene als ein Symbol für Natur und Ökologie in der Betonwüste anzusiedeln, ist die Population auf drei Völker angewachsen. Jedes Jahr ernten wir 30 bis 40 Kilo Honig pro Stock.
Gibt es überhaupt etwas zu feiern?
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Donnerstag, der das Verbot von drei Insektengiften bestätigt hat, ist Grund zur Freude. Die Neonikotinoide, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, gehören zu den größten Gefahren für Bienen.
Kanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag zum Bienenschutz aufgerufen. Nimmt ihre Regierung das wirklich ernst und handelt?
Die Kanzlerin hat verstanden, dass der dramatische Bienenschwund die Menschen bewegt. Als Naturwissenschaftlerin sollte ihr klar sein, dass von der Biene unsere Ernährung abhängt. Die Zustimmung der Regierung zum Verbot der Neonikotinoide ist ein erster wichtiger Schritt gewesen. Damit ist es nicht getan. Wir brauchen ganz dringend eine andere Landwirtschaftspolitik.
Warum produzieren Bienen in Städten mehr Honig als in ländlichen Regionen?
In vielen Regionen gibt es riesige Äcker, soweit das Auge reicht, auf denen nur wächst, was der Bauer eingesät hat. Dort lebt nichts anderes mehr. Es gibt kaum Feldraine, Grasstreifen oder Brachen. Für die Biene und andere Insekten ist das eine Wüste, dort können sie nicht leben. In Städten wie Berlin sieht es besser aus, dort gibt es viele blühende Bäume und Schrebergärten, da fühlt sich die Biene wohler als auf dem teils zur Industriefläche gewordenen Land.
Was erwarten Sie von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU)?
Wenn es bei der Ansiedelung von Bienenvölkern in ihrem Ministerium bleibt, war das eine billige Shownummer. Auf das Verbot der Neonikotinoide muss rasch ein Aus für Glyphosat folgen. Diese Ackergifte sind die Hauptursache für das Insektensterben. Und die EU-Agrarfinanzierung muss neu geordnet werden. Der Vorschlag aus Brüssel, noch mehr Masse statt Klasse zu fördern, ist Wahnsinn. Frau Klöckner muss sich für die Wende von der indus- triellen Massenproduktion zur ökologischen Landwirtschaft einsetzen. Es darf kein „Weiter so“geben.
Was kann der Einzelne tun?
Öko-Produkte kaufen, für die keine Gifte eingesetzt wurden. Und Mut zur Wildnis für diejenigen, die einen Garten oder einen Balkon haben. Wer Gras und Pflanzen wachsen lässt und nur einmal im Sommer mäht, schafft Lebensraum für Insekten.
Wird es den Bienen beim nächsten Weltbienentag schon wieder besser gehen – oder ist die Situation für eine Erholung zu bedrohlich?
Die Lage der Wildbienen ist nicht bedrohlich, sondern dramatisch. 80 Prozent der Biomasse sind verschwunden. Ein Drittel der Wildbienenarten ist vom Aussterben bedroht. Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, sieht es ganz, ganz düster aus.