Buntes Treiben im Theaterrestaurant
Musiktheaterabend mit Werken von Arnold Schönberg, Gerhard Stäbler und Carl Orff am Ulmer Theater
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ULM - Mit einer Musiktheaterproduktion von Werken des 20. und 21. Jahrhunderts verabschiedet sich Operndirektor Matthias Kaiser zum Ende dieser Saison vom Ulmer Theater. Der von ihm inszenierte und choreographierte Abend bündelt Kompositionen von Arnold Schönberg, Gerhard Stäbler und Carl Orff. Bei der erfolgreichen Premiere erhielten auch die Gesangs- und Tanzsolisten, der Chor und der Extrachor des Ulmer Theaters sowie das von Hendrik Haas kompetent geleitete Philharmonische Orchester der Stadt Ulm viel Beifall.
Als Regisseur ist Kaiser in Ulm immer dafür eingetreten, auch moderne Konzepte des Musiktheaters zu zeigen. Auch seine gewagte Kombination von Schönbergs expressionistischem Einakter „Die glückliche Hand“mit der Uraufführung eines Auftragswerks von Stäbler und Orffs „Carmina Burana“ist nicht als bloßes Stimmund Kostümfest angelegt. Verbindung zwischen diesen recht disparaten Stücken, die alle ohne Handlung sind, schafft optisch die imposante Ausstattung von Marianne Hollenstein. Das Orchester sitzt ganz hinten auf der Bühne und ist zudem in einer riesigen, über den Musikern schräg nach vorn hängenden Spiegelfläche von oben zu sehen.
Bei Schönbergs knapp 20-minütigem „Drama mit Musik“ist dies dem anfangs dünnen Klang des freitonalen Orchestersatzes trotz reflektierender Akustik nicht gerade zuträglich. Im Vordergrund führt eine metallene Wendeltreppe nach oben in den Bühnenhimmel. Ein unbeholfener Glatzkopf mit weißen Moonboots steigt sie hinauf und rückwärts wieder hinunter. Für Tomasz Kaluzny hält die Partie dieser Figur eines Künstlers wenig vokalen Glanz bereit. Dämonische Schattengestalten kriechen aus dem Bühnenboden und warnen vor dem „Weib“. Johannes Grebings Lichtregie taucht derlei Szenen eindrucksvoll in wechselnde, oft düstere Farben.
Schönberg hat den bemüht experimentellen Text seines ambitionierten Minidramas selbst verfasst. In Ulm wird sein teils unfreiwillig komisches Pathos kompensiert durch virtuose Tanzeinlagen. Daniel Perin bezaubert als eleganter Herr mit Hut und Stock, Beatrice Panero als Frau und schlangengleich bewegliches Fabeltier, das an der Leine spazieren geführt wird. Um den Künstler als Mann und seine Beziehung zu einer Frau geht es auch in Stäblers knapp halbstündiger „Musikalischer Skulptur“mit dem Titel „Dahinströmen, singend“.
Seit Monteverdis „Orfeo“ist dieses Thema in Opern immer wieder variiert worden. Stäbler, der vor einigen Jahren bereits die Bühnenwerke „Futuressence“und „Rettet Albert E.“für das Ulmer Theater komponiert hat, lässt sein neues Stück mit eben jener Geschichte von Orpheus und Eurydike beginnen. Ein Sprecher (Timo Ben Schöfer) rezitiert aus dem Off die deutsche Übersetzung entsprechender Verse aus Vergils „Georgica“. Weißgekleidete Choristen nehmen auf Stuhlreihen Bühnenrand Platz.
Stäblers Musik beschränkt sich auf ein statisch wirkendes Klangfeld, das aus einem gelegentlich anschwellenden oder verebbenden Trommelwirbel und vor sich hinwabernden Tönen und Geräuschen generiert wird. Aus dem Innern einer Stoffsäule singt dazu Maria Rosendorfsky nach einiger Zeit mit dämpfender Hand vor dem Mund einige textlose Töne. Sie sollen klingen wie aus dem abgerissenen Kopf des von den Bacchantinnen gemeuchelten Orpheus. Später ist nur noch unergiebiges Konsonantengezischel zu hören. Bewundernswert gelingt es der Regie anfangs, zu diesen mageren Klängen eine packende Atmosphäre zu schaffen. Das Tänzerpaar trägt mit reichem gestischen Repertoire dazu bei. Bald stellt sich jedoch zunehmend Langeweile ein.
Auch Carl Orffs „Carmina Burana“von 1937 hätte nach der Pause die Streichung einiger schwächerer Nummern gutgetan. Die populären, vom Komponisten als „Szenische Kantate“bezeichnete Vertonung mittelalterlicher Liedtexte lebt zwar vom Wechsel massiver, gelegentlich etwas teutonisch daherkommender Chorwucht und kammermusikalischer Zurücknahme, weist aber insgesamt Längen auf. Kaisers phantasievolle Inszenierung mildert diesen Eindruck mit einer Fülle surreal anmutender Miniszenen, die in der Entstehungszeit des Werks spielen und neben erotischen Geschichtchen auch faschistische Thematik andeuten. Kwang-Keun Lee als Heldenbariton und kleiner Diktator, Hans-Günther Dotzauer als clownige Schwuchtel mit Fistelstimme und Maria Rosendorfsky als angehimmelte Sängerin beleben das bunte Treiben in einem Theaterrestaurant vokal und darstellerisch brillant.
Weitere Vorstellungen: 22. und 27. Mai, 8., 10. und 24. Juni, 5. und 12. Juli. Kartentelefon 0731/161 4444.