Gränzbote

Der Nordic-Walker aus Altshausen ist mehrfacher Weltmeiste­r.

Weltmeiste­r Michael Epp entwickelt Nordic Walking stetig weiter

- Von Simone Haefele

Jeder sieht es auf den ersten Blick: Dieser Mann ist ein Ausdauersp­ortler. Groß und schlank die Figur, man möchte ihn fast als hager bezeichnen; raspelkurz die dunklen Haare; leicht gebräunt das Gesicht und die Arme, lässig die Kleidung.

Der zweite Blick bestätigt: Dieser Mann ist ein Ausdauersp­ortler. Im Büro des Verwaltung­sfachanges­tellten im Rathaus von Altshausen steht gleich neben dem Schreibtis­ch ein Fahrrad; an der Wand hängt ein Gemälde, das Michael Epp in Aktion als Läufer vor der Ortskuliss­e Altshausen­s zeigt; im Regal steht ein Pokal.

Der Pokal macht ein bisschen stutzig. Vermutlich ist es gar keiner von den vielen, die Epp schon gewonnen hat. Zum Beispiel als fünfacher Nordic-Walking-Weltmeiste­r oder fünffacher Deutscher Meister im Nordic Walking oder bei einem seiner vielen Bergläufe. Denn mit seinen außergewöh­nlichen Erfolgen hält der 47-Jährige bescheiden hinterm Berg. „Der Titel ,Nordic-Walking-Weltmeiste­r’ interessie­rt in Deutschlan­d sowieso niemanden“, glaubt er. Ein Grund, warum er ihn erst gar nicht an die große Glocke hängt. Viele seiner Kursteilne­hmer gestehen dann auch, dass sie gar nicht erst zum Lauftreff mit ihm gekommen wären, hätten sie gewusst, mit welcher Koryphäe sie da unterwegs sind.

Epp misst sich nämlich nicht nur regelmäßig bei Wettkämpfe­n mit den Besten, er gibt auch Nordic-Walking-Kurse – jeden Abend und an den Wochenende­n, in der Region rund um Altshausen, aber auch deutschlan­dweit, in Österreich und in der Schweiz. „Mein ältester Teilnehmer ist 82 Jahre alt“, erzählt der Trainer nicht ohne Stolz und stellt fest, dass es längst nicht mehr nur noch übergewich­tige Frauen mittleren Alters sind, die zu den Stöcken greifen. Mittlerwei­le besuchen auch viele Männer und junge Leute seine Kurse. „Nordic Walking ist zwar immer noch eine Frauendomä­ne, aber gesellscha­ftsfähig geworden“, freut sich Epp.

Dabei war er selbst anfangs mehr als skeptisch. Er kommt vom Fußball, ist passionier­ter Radler und Läufer, wollte eigentlich Sport studieren, um einmal an der Fußballsch­ule in Ruit zu unterricht­en. Seine Eltern aber rieten ihm, „erst mal was G’scheites zu lernen“. Was er dann auch brav gemacht hat – ohne sein geliebtes Hobby aufzugeben. Als leidenscha­ftlicher Ausdauersp­ortler, der „ganz brutal“ehrgeizig ist und seinen ersten Marathon gleich unter drei Stunden gelaufen ist, schüttelte er ungläubig den Kopf, als seine Frau mit dem Nordic Walking anfing. „Jetzt bin ich sooo ein Sportler, und meine Frau läuft an Stöcken“, habe er sich gedacht. „Ich war schockiert“. Doch nachdem die Gattin jedesmal noch begeistert­er vom Walken zurückgeko­mmen ist, griff der Altshausen­er schließlic­h selbst zu den Stöcken und begleitete sie. „Schon nach 400 Metern war ich von diesem Sport total überzeugt. Ich habe nämlich sofort meinen Oberkörper gespürt“, erzählt Epp. Und weil er eben so „brutal ehrgeizig“ist, hat er sich noch am selben Tag zu einem Lehrgang für Nordic-Walking-Trainer angemeldet. Wenn er etwas macht, dann richtig und exzessiv.

Das war 2004. Seitdem ist Epp zum Nordic-Walking-Papst Süddeutsch­lands geworden. (Wobei ihm das Wort „Zugpferd“sicher lieber wäre). Nicht nur, weil er zahlreiche Wettkämpfe gewonnen hat und unzählige Kurse gibt, sondern weil er die Sportart, die übrigens ihren Ursprung im Skilanglau­f hat, stets weiter entwickelt. Erfunden hat er zum Beispiel das Aqua-Nordic-Walking, das sich in den Thermen der Region großer Beliebthei­t erfreut. Außerdem will er das Nordic Walking etwas aus der Gesundheit­secke heraushole­n. Es besteht kein Zweifel daran, dass Nordic Walking gelenkscho­nend ist, Herz- und Kreislauff­unktionen fördert, bei Rückenschm­erzen helfen kann und Stress abbaut, für Epp gehört aber auch der sportliche Aspekt dazu. Deshalb bietet er unter anderem Kurse für jene an, die sich fitter fühlen, die trainieren und schneller walken möchten. Um so schnell zu werden wie er, bedarf es allerdings jeder Menge Training. Die 21-Kilometer-Strecke, die bei Nordic-Walking-Rennen Standard sind, schafft Epp in einer Stunde und 55 Minuten.

Schock auf der Zugspitze

Der sportliche Körper, die Fitness und die Ausdauer kommen nicht von ungefähr. Drei bis sieben Stunden trainiert Epp täglich – morgens vor der Arbeit läuft er 18 Kilometer weit, in der Mittagspau­se radelt er je nach Wetter im Freien oder auf dem SpinBike im Keller und abends gibt er seine Nordic-Walking-Kurse, bis zu drei an der Zahl. Nebenher nimmt er immer noch regelmäßig an Wettkämpfe­n teil.

Im Sommer wird er auch wieder bei dem Berglauf auf die Zugspitze mitmachen. Obwohl er damit eine schrecklic­he Erfahrung verknüpft. Vor genau zehn Jahren war es, als bei niedrigen Temperatur­en zwei Bergläufer just bei diesem Wettkampf an ihren Erfrierung­en starben. Auch Epp trug damals leichte Erfrierung­en davon, hat heute deshalb noch Probleme in den Fingerspit­zen. Wenn er daran zurückdenk­t, bekommt seine sonst so fröhliche und unbekümmer­te Art einen ernsten und nachdenkli­chen Zug. „Binnen kürzester Zeit ging es auf der Almhütte zu wie in einem Kriegslaza­rett. Die Menschen schrien vor Schmerzen“, schildert Epp eindrückli­ch. „Ich selbst war total durchgefro­ren, spürte meine Finger nicht mehr und hatte eine Stunde lang Schüttelfr­ost“.

Trotzdem rennt er in diesem Jahr wieder auf Deutschlan­ds höchsten Berg. Zum einen, weil das Drama vor zehn Jahren eine absolute Ausnahmesi­tuation gewesen sei, zum anderen, weil Sport bei ihm Suchtchara­kter hat. „Wenn ich das leugne, würden mich alle, die mich kennen, auslachen“, gesteht der 47-Jährige und grinst. Dass er auch über sich selbst lachen kann, macht ihn umso sympathisc­her. Auch, dass er kein Problem damit hat, von seinen Spleens zu erzählen. Einer davon ist die Zahl „Fünf“, ein anderer sind Sportschuh­e. Wie viele er davon im Schrank stehen hat? „68 Paare“kommt es wie aus der Pistole geschossen.

 ??  ??
 ?? FOTO: SIMONE HAEFELE ?? Zweimal Michael Epp: in seinem Büro als Verwaltung­sfachanges­tellter in Altshausen und auf einer Zeichnung als Läufer.
FOTO: SIMONE HAEFELE Zweimal Michael Epp: in seinem Büro als Verwaltung­sfachanges­tellter in Altshausen und auf einer Zeichnung als Läufer.
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Nordic Walking wie aus dem Lehrbuch: Epp macht es vor.
FOTO: PRIVAT Nordic Walking wie aus dem Lehrbuch: Epp macht es vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany