Gränzbote

Muss ein Ehering die Liebe besiegeln?

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In meiner Jugend trug ich tatsächlic­h einen Ohrring – heute würde ich das nicht mehr uneingesch­ränkt als schön ansehen. Eine Kette gab es auch mal um meinen Hals. Aber einen Ring am Finger? Nie im Leben. Das war auch noch mein Standpunkt, als ich meiner heuti- gen Frau den Heiratsant­rag machte. Dass ein Ring zur Ehe dazugehört, stand für uns jedoch nie zur Diskussion. Selbstvers­tändlich bin ich mit zum Juwelier, hab auch meine Vorstellun­gen mit eingebrach­t – und fand das Resultat durchaus schön. Nur tragen wollte ich diesen Ring halt nicht.

Meine Ausreden: Meine Finger sind so schmal, da passt doch eh kein Ring richtig. Außerdem: Als Tennisspie­ler würde mich der Ring nur stören. Was ich mir vorstellen konnte war, den Ring eventuell an einer Kette zu tragen. Auf dem Standesamt ließ ich ihn mir dann trotzdem über den Finger streifen – das gehörte für mich in dieser Situation einfach dazu. Wir hatten uns auf die linke Hand geeinigt. Schon mal für den Fall der Fälle, dass ich den Ring tatsächlic­h anlassen würde. Konnte ich mir zwar absolut nicht vorstellen, kam dann aber so. Irgendwie hab ich mich sehr schnell an das Ding an meinem Finger gewöhnt, ertappe mich immer wieder dabei, wie ich ihn drehe und hin- und herschiebe. Gestört hat er mich seither nie.

Wer mich kennt, der weiß, dass ich zwar schon hartnäckig lange verheirate­t bin, aber noch nie einen Ehering getragen habe. Vermutlich können sich junge Leute, die dazu neigen, aus ihrer Hochzeit die ganz große Oper zu machen, so etwas Gars- tiges kaum vorstellen, aber: Zu meiner Zeit galt die Ehe an sich als spießig. Wir haben Witze darüber gemacht. Nur die Braven traten vor den Altar. Symbol der Bravheit war der Ehering.

Ich wollte unabhängig sein und eigentlich überhaupt nicht heiraten. Nicht mal meine Eltern, selbst geschieden, drängten mich dazu, sie hatten ihre Eheringe entsorgt. War nichts mit ewiger Liebe. Als ich den Mann meines Lebens kennenlern­te, sind wir ohne amtlichen Segen zusammenge­zogen und haben unser Kind bekommen. Das war durchaus üblich im Freundeskr­eis. Erst unsere fünfjährig­e Tochter überredete uns 1987, zum Standesamt zu gehen. Sie fand es wunderbar und sah in ihrem weißen Spitzenkle­id aus wie eine Minibraut. Ich hingegen trug so ein grausiges EightiesKo­stüm mit gemeingefä­hrlich breiten Schulterpo­lstern und wollte die Sache schnell hinter mich bringen. Ein Ring kam für mich nicht in Frage, da blieb ich bockig. Meinem Mann war das ganz recht, er kann eh nichts am Finger vertragen. Ringfrei haben wir’s durchgehal­ten – bis heute.

Dass ein Ring dazugehört, stand nie zur Diskussion. Von Thorsten Kern

Ringfrei durchgehal­ten – bis heute. Von Birgit Kölgen

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